Wie Oben So Unten

Hindernisse - Widerstände

(Text vom 18.06.2002)

Die Teilnehmer einer Gruppe wurden von mir gebeten, über ihre Erfahrung bei der Meditation zu berichten. Ich finde die Beschreibungen so delikat, dass ich sie hier als Beispiele weitergeben möchte. Diese Beispiele sind Zeugen für die nüchterne Realität der Meditation. Die Realität der Meditation liegt nicht in wunderbaren Welten sondern ist die Bereitschaft, sich mit der augenblicklichen Situation auseinander zu setzten. Diese Bereitschaft führt uns dann zu einer "Institution" in uns, die "der Beobachter" genannt wird. Mit ihm gilt es, sich mehr und mehr zu identifizieren. Dann bekommt das Leben seine eigentliche Realität:
die Nüchternheit - Es ist wie es ist - Oder wie es ein Zenmeister formulierte: "Wenn ich esse, esse ich".

Beispiele der erfolgreichen, realen Meditation:

Sie sind nicht ausgesucht worden sondern werden so wiedergegeben, wie sie mir abgegeben wurden. Ich habe nur die Namen weggelassen.
1.
Gedanken, Gedanken.....Ich habe das Gefühl, sie, die Gedanken, lassen mich kreisen, machen mich verrückt.
Angst, ich habe Angst, ich fange an zu kreisen, zu fliegen, zerfließen.

2.
Konsum jeder Art: Substitute.
Kaffee, Bier, Schokolade,
wenn die Körperwahrnehmung überlagert wird.
Information (Bücher, Klatsch, Tratsch)
Dies alles sind nicht die Hindernisse, sondern das, was von den Hindernissen angeboten wird.
Was noch hindernd ist:
Angst vor Konflikt (lieber Klappe halten)
Angst vor Konfrontation, vielleicht verwandeln die Ängste sich jetzt, da ich mehr und mehr weiß, was ich von Herzen will.
Wo es verspannt:
Linke Schulter, linker Oberschenkel, Würgen in der Kehle, Übelkeit.

3.
Ein Brustwirbel tut weh, lenkt immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich. Die Nase ist zu, die Mundatmung ist unangenehm.
Der Unterschenkel verkrampft.
Die Gedanken lösen Emotionen aus, gehen weg, kommen wieder.
Ich nehme körperliche Unzulänglichkeiten und Schmerzen wahr und kann dann keine Raumerfahrung machen.

4.
Zweifel, ist dies das Richtige was ich mache? Ich muss so viel tun, so sein, die Rolle einnehmen, gute Mutter sein, geerdet sein, um meinem Kind Antworten zu geben, präsent sein, mich um mich kümmern, bei mir sein, mich spüren.
Tage, Wochen vergehen, vieles bleibt unerledigt, bin ungeduldig, es dauert mir zu lange,
Komme nicht vorwärts, drehe mich im Kreis, bin im Loch, oft zu faul und träge, zu schlapp, lustlos, um in Bewegung zu gehen.
Ich habe Angst das Falsche zu tun, es nicht richtig zu machen, stehe nicht zu mir selber. Kann keinem Vertrauen. Habe Angst zu viel zu tun. Habe Angst vor mir selber.
Habe Bedürfnisse, Wünsche, Träume, ärgere mich über mich selber, dass ich sie nicht umsetzen kann. Bin wütend auf mich, habe das Gefühl zu versagen. Ich will manchmal nicht mehr.

5.
Ich bin ein einziger Widerstand.
Mir ist ständig übel.
Habe Übelkeitswellen.
Gedanken rasen durch meinen Kopf.
Hände und Füße sind verstopft.
Mein Kopf ist so schwer, als läge eine Last darauf.
Während ich das schreibe verändert sich mein Zustand.

6.
Samstagmorgen - Identifikationsübung
Ich sitze schön auf meinem Kissen, beobachte den Atem, lasse die Muskulatur vor allem in den Beinen los, nehme Bodenkontakt auf. "Das bin ich alles nicht" bringt, wie zu Hause auch Verwirrung.
Kontakt zu meinem Körper, in Bewegung sein, ist für mich auch Identifikation. Gleichzeitig: Das bin ich nicht.
Bleiben wir bei diesem Beispiel: Martin Sammer ist Teil von Borussia. Meine Verspannung in der linken Wade ist ein Teil von mir.
Sammer ist verletzt, ein anderer Spieler spielt. Ich habe meine Verspannung jetzt mal aufgeben können. Da taucht was neues auf. Was übrig bleibt, ist Verwirrung.
Konkret: Da machen wir im Sitzen einen Kreis auf dem Boden. Mit Kontaktverlusten (Sprüngen). Führt bei mir dazu, dass ich den Kontakt immer mehr verliere. Krampfhaft versuche ich, ihn zu halten und verliere mich (oder den Kontakt) ganz.
Das kriege ich sogar mit und versuche mich zu wehren, Kampf, Krampf.
Bin ich jetzt der welcher kämpft und krampft? (Sammer) oder nicht.

7.
Innere Unruhe
Konfrontation mit meiner Unruhe und mit meinem Gefühls- und körperlichen Zustand.
Ich habe immer, oder sehr oft, das Gefühl, ich müsste etwas tun, mich bewegen und fühle mich davon getrieben und gefangen.
Mir fällt es dann sehr schwer, mich auf mich einzulassen, Gedanken lassen mich nicht in Ruhe.
Außerdem habe ich das Gefühl, dass Meditation im Moment für mich mit schwerer Arbeit verbunden ist. Und ich will keine schwere Arbeit in meinem jetzigen Leben. Ich fühle mich erschöpft. Ich möchte nichts, was mich noch mehr erschöpft. Obwohl ich auch weiß und es immer wieder gespürt habe, dass mir die Meditation bzw. die Übungen Kraft gegeben haben. Das ist im Moment ein ziemlicher Zwiespalt in mir.
Vielleicht will ich aber auch einfach nichts dazulernen.
In mir herrscht das Chaos. Aber dieses Chaos kenne ich und es hat mich mein bisheriges Leben begleitet. Doch ich komme mit diesem Chaos auch einfach nicht mehr zurecht.
Es ist so, als wollte ich nicht erwachsen werden. Doch irgendetwas ist da, was es werden will. Das spiegelt sich auch in den Übungen wieder. Ich glaube, wenn ich mich darauf einlasse, könnte ich vielleicht endlich mal etwas vernünftiger und etwas weniger chaotisch werden. Aber ich weiß nicht wie das geht.

8.
6. 00Uhr aufstehen, noch einmal umdrehen.
6. 10 Uhr duschen, Teewasser. 6. 25 Uhr den Tisch decken. Tee trinken: Oh Scheiße die Spülmaschine muss noch ausgeräumt werden. Also nicht sitzen, liegen, meditieren. Dann 6 45 Uhr. Nur noch 10 Minuten. Unter Druck. Na ja, Hauptsache du sitzt wenigstens 10 Minuten. Über den Tag keine Zeit, keine Gelegenheit, abends total müde und Widerstände. Jetzt möchte ich gerade mal Zeitung lesen u.ä.
Auf dem Schulweg: Om Ah Hung im Auto. Zwischendurch raus, dichter Verkehr, Zeitdruck. Über Tag immer wieder mal in die Füße spüren, aber je mehr Außenkontakte: Kinder in der Schule, Familie etc., desto weniger intensiv.
Diese vielen Menschen bringen mich zur Zeit total von mir weg. Habe das Bedürfnis nach vielem Alleinsein, nach mehr Zeit, mir nachzuspüren. Möchte gern mal mit meinen Single-Freunden für 2 Wochen tauschen.
Wenn ich bei einer Konferenz oder am Küchentisch versuche, mich zu erden, Maulwurfgang zu machen o.ä., geht das nicht so gut. Die Anwesenden bringen mich ziemlich schnell raus, bzw. ich höre zu stark auf das Vordergründige und bin weg von der Tiefe. So ist das. Mich sammeln in dieser Umgebung ist mühevoll. In die Schultern spüren und nachlassen, das geht oft am Tag in allen möglichen Situationen.
Hindernisse am Wochenende:
Relativ wenig an diesem Wochenende. Aber da ist das rechte Knie, das seit einem Unfall vor 3 Jahren immer wieder mal schmerzt. Schmerz zwischen den Schulterblättern.
Druck, irgendetwas nicht verstanden zu haben, nicht genügend vorbereitet zu sein.
Samstagabend, das Empfinden: Es reicht jetzt, der Tag war so intensiv.

9.
Da spielt sich ein Kampf in mir ab,
zwischen meinem Ego und - ja, was ist das andere?
Das Ego ist hartnäckig. Es hat verschiedene Stimmen und es will partout die Führung übernehmen.
Das ist jetzt aber nicht so, wie ich es erwartet habe. Beim letzten mal war es genau anders. Es soll so sein, wie ich es mir vorgestellt habe.
Es soll schön sein, erhebend, tiefgründig, auf alle Fälle ganz besonders, ein besonderes Erlebnis.
Als Alternative hat es schöne Tagträume für mich bereit, oder ich male mir etwas aus, plane (z.B. wie ich ein Bärenkostüm nähen kann).
Ich schaff es sowieso nicht ( z.B. die Übung im Kopf), auf keinen Fall schaff ich es alleine, deshalb brauche ich es auch gar nicht erst zu versuchen.
Wenn ich Angst oder Schmerzen habe oder mich verspannt fühle: Mist, schon wieder, warum bloß? Und schon bin ich in dem Gedankenkarussel drin, habe mich auf einen Kampf gegen Angst und Schmerzen eingelassen.
Diese Stimme, die mich klein macht, unfähig, wertlos, ist ziemlich penetrant.
Aber die andere wird beharrlicher: Nimm es einfach an, gib ihm Raum.....und dann passiert etwas, eben nicht das, was ich erwartet habe.
Aber über lange Zeit ist es nur ein immerwährendes Hin- und Herspringen: Spüren/ oder Üben ---- Gedanken/ Vorstellung/ Kampf
Ich sehe da zwei Ebenen:
- einmal die Erwartungen, Schmerzen, Angst, Vorstellungen, eben das, was ich wahrnehme.
- und dann wie ich damit umgehe.
Wenn ich meinem Ego folge, wird es zu einem Hindernis, indem ich mich entweder auf einen Kampf einlasse oder in Tagträume oder Vorstellungen ausweiche, oder wenn ich es eben akzeptiere, dem Raum gebe, dann ist das, was zunächst als Hindernis schien, ein Tor, durch das ich eintreten kann.
Eigentlich wollte ich diesmal nichts schreiben, aber wenn ich anfange, fällt mir immer mehr ein, das ist leider beim Schreiben so, ich würde gern auch darüber sprechen, aber dann ist mein Kopf oft so leer. Schade, auch ein Hindernis?

10.
Totale Erschöpfung - Folge oder Flucht?
Kritische, hetzerische, zweifelnde, irritierende Gedanken aus Beziehungs-, Berufs- und "Freizeit"plänen. Ego - Verwirrungen?
Mein Körper, Mangel an Elastizität, Ausdauer, Training, Schmerztoleranz, Beachtung.
Mein Wille, dieses Wochenende besser zu "nutzen", nicht zu pendeln, ganz da sein, Erwartungshaltung?
Es ist mir zum Fortlaufen, alles sinnlos. Das Glück ist mit den Doofen, ergo Wertungen?
Brocken hinterm Brustbein - Schmerz, Wut - Trauer große Hindernisse bei Übungen mit blauer Kugel, Säule, Verbindung, Chipunkt - Bewusstseinshöhle im Kopf.
Die unaussprechliche Frage, wer bin ich eigentlich, bringt immer wieder überraschende Erschütterungen, obwohl eigentlich schon Antworten da sind und "Erschütterungen" bekannt.
Unsicherheiten und in Frage stellen von eigenen Wahrnehmungen, Gratwanderungen zwischen Wahrnehmung und Projektion? Jedenfalls weit weg vom "nachspüren"! Und dabei waren mehrfach die von anderen beschriebenen Empfindungen schon vorher bei mir, wieder eine Überraschung.

11.
Hindernisse sind bei mir oft alte Gewohnheiten,
die mir Sicherheit geben - natürlich nur scheinbar. Ich trinke Kaffee, um wach zu werden und noch mehr Kaffee, um wach zu bleiben, auch wenn ich immer müder werde oder furchtbar rappelig.
D.h. meine Vorstellung von der Wirkung des Kaffees "sichert" mir eine Wachheit, die ich mir so sehr wünsche (leider nur in der Vorstellung).
Ein anderes Hindernis ist, dass ich mir die Müdigkeit nicht eingestehen will. Ich lasse einfach nicht das zu, was gerade in mir los ist und dann kann ich mich natürlich auch nicht ruhig hinsetzen und in mich hineinspüren.
Ängste spielen auch eine große Rolle. Z.B. die Angst, die Kontrolle über mich zu verlieren.
Körperliche Verspannungen und Schmerzen kann ich oft nicht wirklich zulassen. Sie quälen mich dann immer mehr und mehr, bis ich nichts anderes mehr denken kann als aufzuhören mit dem stillen Sitzen! Sofort aufhören!
Allein die Vorstellung von eingeschlafenen Beinen sorgt schon häufig dafür, dass ich mich nicht aufs Meditieren einlasse.
Vorstellungen als Hindernisse gibt es natürlich mannigfaltige:
- mir fehlt die Zeit (ich bekomme meine Arbeit nicht fertig usw.)
- mir fehlt die Ruhe ( stehe sowieso wieder auf, ich kann mich nicht richtig konzentrieren, draußen ist es zu laut)
- andere Dinge sind wichtiger, müssen zuerst gemacht werden, erledigt werden, Arbeiten, Putzen, Einkaufen, aber auch Schlafen, weil ich doch viel zu müde bin, Essen, damit ich zuerst was "Gescheites" in den Magen kriege.
- meine Umgebung hat bestimmt kein Verständnis für mich (d.h. wenn ich jetzt meditiere - Angst vor Unverständnis aber auch Ablehnung und Spott)

Ich hatte wirklich große Hindernisse beim Aufschreiben der Hindernisse zu überwinden.
Wenn die Hindernisse da sind, sind sie da, aber später muss ich richtig nachdenken, um sie in Worte fassen zu können. Außerdem hatte ich die interessante aber dumme Idee, ich müsse möglichst alle Hindernisse aufschreiben, schön in Oberbegriffe ordnen usw.
Du kennst mich. Ich bin reingefallen.

Zu obigem nun noch eine Ergänzung:
Mich schmerzt zu Hause immer mein rechtes Bein ganz fürchterlich. Es beginnt einzuschlafen, aber nicht vollständig, so dass der Schmerz nie aufhört (und ich ihn vorher schon fürchte. Ich habe oft richtig Angst, dass mein Bein absterben könnte, weil es nicht richtig durchblutet wird. Oder dass das Kribbeln nie mehr aufhören könnte.).
An diesem Wochenende habe ich den Schmerz besser annehmen können und ihn manchmal sogar als Möglichkeit nehmen können, mich in den Beinen wirklich zu spüren.
Ich finde zu Hause selten das bischen innere Ruhe, bzw. das Innehalten im Trott.
Oft bin ich einfach zu träge und lebe, ohne mich bewusst zu spüren.

12.
Oberarme, Schultern, Brust schmerzen.
Ich spüre die Angst, dort hinein zu gehen. Ich bin sofort wieder in meinen Gedanken.
Ich habe deutlichen Unterschied gespürt zwischen "Reden und Schweigen". Selbst so kurze Redesequenzen wie heute morgen mit Dir haben einen ungeheuren Einfluss auf das "Sich einlassen können". Dagegen war ich schon lange nicht mehr so intensiv und anhaltend am Chi-Punkt wie gestern Nachmittag und Abend. Es ist als brauchte ich einmal dieses Aufflammen, um dabei bleiben zu können.
Im Augenblick, in dem ich eine ungeheure Kraft aus meinem Becken heraus spüre, bin ich bereit, viele Risiken einzugehen, mich auf meinen Körper, die Verspannungen, die Schmerzen einzulassen. Aber sobald ich die Schale verlasse, auch nur für einen Bruchteil von Sekunden, (so kommt es mir jedenfalls vor) benötige ich viel Kraft, um loszulassen, denn bin ich erst einmal wieder von Gedanken umgarnt, fühle ich mich manchmal wie eine Fliege im Spinnennetz. Der einzige Unterschied liegt darin, dass ich nicht für immer gefangen bin. Ich kann jeder Zeit wieder heraus.