Wie Oben So Unten

Persönlichkeit und transpersonaler Mensch

(Text vom 15.01.2003)

Wie ich in den bisherigen Artikeln schon öfter anklingen ließ, geht es mir mit dieser Webseite darum, der Meditationsarbeit ein neues Image zu geben. Ausnahmslos alle Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren über Meditation sprach und die von Meditation gehört hatten, verkündeten: "Mit Meditation wird man ruhiger und gelassener." Gleichzeitig lächelten sie etwas süffisant, als sprächen wir über etwas seltsames, dass man nicht so ernst nehmen sollte. Selbst die Kinder verstehen unter Meditation: "Ommmmmmm"- mit einem verklärten Lächeln. Viele Meditierenden verstehen unter guter Meditation, dass sie sich danach gut fühlen. Sie verstehen unter schlechter Meditation: Sie waren zu unruhig und konnten sich nicht genug konzentrieren. Sie fühlten sich danach nicht gut
Das alles hat meiner Meinung nach mit Meditation nichts zu tun. Darauf möchte ich immer wieder hinweisen.

Meditation ist eine Begegnung mit sich selbst. Mal fühlt man sich gut oder sehr gut, mal fühlt man sich schlecht, oder sehr schlecht. In der Bereitschaft, sich selbst zu begegnen, liegt die Meditationsarbeit.

Das Wertvolle, oder Besondere, an der Meditation ist, dass sie einen Weg aufzeigt, der uns wichtigere Bereiche eröffnet, als uns die gegenwärtige Gesellschaft mit Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zur Verfügung stellen. Die Dimension dieser Ebene wird sich nicht ändern. Ihre Werte sind Gier und Macht. Die Hochreligionen haben durch ihr Zerrissensein zwischen diesen äußeren Werten und den von ihnen verkündeten inneren Werten ausgedient und sind weitgehend unglaubwürdig geworden. Ihre einst unumstößlichen inneren Werte haben in der Gesellschaft an Bedeutung verloren. Der Einzelne, dem es danach verlangt, ist seit dem auf sich selbst zurückgeworfen.
Jetzt ist der einzelne Mensch gefragt und aufgefordert, seinen Lebenssinn selbst zu entdecken und sich der zeitlosen Frage zu stellen: "Was, wer und warum bin ich?"
Diese Frage lässt sich philosophisch und religionsphilosophisch nicht beantworten. Die Antwort lässt sich nur auf dem Weg ins Innere unserer Persönlichkeit finden. Wichtig: Sie ist zu finden. Dazu gehört allerdings konsequentes Suchen in uns selbst und Ernsthaftigkeit. Ernsthaftigkeit bedeutet für mich nicht Humorlosigkeit oder eiserne Disziplin, sondern beständiges, neugieriges, konsequentes, beharrliches Tasten, Fragen und Üben nach dem größten Geheimnis der Schöpfung:
"Was und Wer bin ich eigentlich?"

So sollen alle Artikel dieser Webseite nur Anregungen sein, diese Frage immer wieder zu mobilisieren und -geht der Impuls dieser Fragestellung im Alltagsleben einmal unter-, ihn wieder zu wecken.

Ich habe versucht, ganz grob, eine Systematik auf dieser Webseite anzubieten. Eine krasse Trennung der Themen ist natürlich nicht möglich. Es sollen nur Schwerpunkte sein, die sich untereinander natürlich vermischen. So ist der eine Schwerpunkt die Persönlichkeit und der zweite der transpersonale Mensch.

Dieser transpersonale Mensch ist nicht der Buddha, der Befreite. Es ist der Mensch, der entdeckt hat, dass die lebenswerten Werte in ihm liegen. Diese entdeckten Werte helfen ihm, sein Leben als lebenswert zu empfinden und somit eine Unabhängigkeit der Außenwelt gegenüber erlangen zu lassen. Den Zugang zu diesen Werten gilt es zu bewachen und zu würdigen. Es gilt, ihn wieder neu zu öffnen, wenn er einmal verloren gegangen ist.

Die Übungen in dem Kapitel Meditation helfen uns dabei, die Fragestellungen der einzelnen Kapitel immer wieder neu anzugehen und bei sich selbst zu überprüfen. Die Übungen stehen also im absoluten Mittelpunkt. Um sie dreht es sich auf diesem Weg! Wer einen anderen Übungsweg eingeschlagen hat, sollte trotzdem ab und zu, den einen oder anderen Artikel lesen und das Thema bei sich überprüfen. Eine fruchtbare Ergänzung für das Kapitel Meditation sind die Bücher von Hetty Draayer, erschienen im Kösel-Verlag.

Doch nun etwas differenzierter:

I. Persönlichkeit,
von Mechanismen gesteuert.

Wenn man sich bemüht, die Menschen und sich selbst mit einem gewissen Abstand und Wohlwollen zu beobachten, entdeckt man etwas Erschreckendes: Die Verhaltensweisen - aller Art - lassen sich auf nur wenige Punkte reduzieren.
Als erstes fällt dabei auf, dass ganz zentral die Sehnsucht nach Anerkennung steht. Hier meine ich nicht die Anerkennung der Leistung oder des Erfolges, es geht vielmehr um das Erkannt-Werden als einmaliges, unverwechselbares Wesen. Doch dem arbeitet der Einzelne entgegen, indem er sich ständig mit anderen vergleicht und oft genug schlecht dabei weg kommt. Er sucht die Anerkennung auf der falschen Ebene, da er die Ebene, auf der das Erkannt-Werden erst möglich ist, nicht kennt. So sind wir bei einem der drei Schwerpunkte angelangt, dem Nichtwissen. Die immer wieder gewünschte und erhoffte Anerkennung der Leistung und des Erfolges führt nur zu einer Sucht. Die anerkennung ist wichtig für uns als Sozialwesen, doch sie ist keine Lösung für die tieferen Schichten: für das Erkannt-Werden-Wollen unseres eigentlichen Wesens.

Das Nichtwissen verführt uns zu zwei anderen Antriebskräften unseres Verhaltens:

Der Gier,
wie die Buddhisten sagen.
Gier nach Besitz, Geld, Wissen, Macht usw. Sie sind das Maß, an dem ich meine Bedeutung als Mensch messen kann. Also strebe ich unablässig danach. Erlange ich sie nicht, gehöre ich zur bedeutungslosen Masse. (Ich wurde nicht erkannt.)
Als aktuelles Beispiel: Verliert jemand seinen gut bezahlten Job, von dem her er seinen Wert herleitete, versinkt er in der Bedeutungslosigkeit. Sein Leben hat keinen Sinn mehr. Er sieht nicht, dass er jetzt die Zeit hätte - jetzt erst recht -, seinen Lebenssinn zu finden.

Der Hass,
wie die Buddhisten sagen.
Dieses Wort, das in vielen Büchern erscheint, muss eine falsche Übersetzung sein. Auch das Wort "Gier" gefällt mir nicht. Ist Gier ein Synonym für "haben wollen, haben müssen", so ist Hass für mich das Synonym für Ablehnung.
Sehr schlicht ausgedrückt:
Das eine will ich mir aneignen. Ich will es haben. Ich will es mir einverleiben
Das andere lehne ich ab. Ich mag es nicht. Ich will es nicht. Es tut mir nicht gut.

Wenn wir nun unsere Handlungen im Alltag betrachten, so entdecken wir, dass ausnahmslos alle Handlungen -und dazu gehören auch die Wünsche und Pläne unserer Vorstellungswelt- auf diese beiden Faktoren reduziert werden könnten. Ob der Kaffee zu kalt, zu heiß, zu stark, zu schwach zu..., zu... ist, ob der Partner/die Partnerin zu alt, zu jung, zu dumm, zu klug, zu dick, zu dünn ist, immer betrachten wir das Geschehen und die eigene oder fremde Handlung auf der Wertungsebene, die aus diesen beiden Faktoren kommen.

Erkennen wir das nicht, verharren wir in dem oben charakterisierten "Nichtwissen". Dann bleiben wir immer manipulierbar. Alle Artikel des Kapitels "", drehen sich um diesen Punkt. Ich möchte hier nur einige Bereiche aufzählen und damit zum Nachdenken anregen:

Medien, Werbung, Propaganda
Aggression und Flucht
Gruppendynamik
Triebe, Bedürfnisse, Abwehr, Sympathie, Verdrängung
Irrationale Ängste
Reaktionsmuster

Der Suchende muss sich mit diesen Themen (seinen inneren "Mechanismen") auseinandersetzen. Aber weniger reflektierend, sondern mehr wahrnehmend und beobachtend. Nur so wird er frei davon. Es geht also nicht darum, wie ich es in vielen buddhistisch orientierten Zentren erlebt habe, sich den Komplex "Hass" zu verbieten, um Verdienst anzusammeln, sondern zu akzeptieren, dass es diesen Komplex gibt; dass er ein entscheidender Teil unserer Persönlichkeit ist; dass er von der Natur genau so "eingerichtet" ist wie das so genannte "Gute". Nur über das Beobachten und Wahrnehmen des sogenannten Guten und Bösen kommen wir an das innere Wissen heran.

II. Die transpersonale Persönlichkeit,
das eigentlich Menschliche in uns.

Wie viele Suchende wurde auch ich am Anfang meiner Suche von den Beschreibungen des absoluten Zustandes verführt. Dieser Zustand war mein Ziel, etwas anderes kam mir nicht in den Sinn!

Im Laufe der Jahre erkannte ich jedoch, dass dies für uns auf der Erde Lebenden kein Ziel sein kann. Ich jagte einem Hirngespinnst, im wahrsten Sinne des Wortes, nach. Das, was in den Weisheitslehren als Große Befreiung dargestellt wird, kann man als individuelle Persönlichkeit nicht erreichen. Das ist unmöglich.

Es geht für mich um das "Sterben" der Persönlichkeit; um das Überwinden der vielen "Mechanismen". Aber überwinden heißt nicht, dass sie dann weg sind. Das ist das Ziel der Askese, die für mich eine Sackgasse ist. Überwinden bedeutet, dass in uns, jenseits der Dualität, eine neue Kraft, ein neuer Zustand heranwächst.

Der Weg des Beobachters und der Wahrnehmung (aus der Ebene der Persönlichkeit), stabilisiert sich und der betreffende Mensch identifiziert sich mehr und mehr mit der leiblich (nicht körperlich) real existierenden Kraft.

Diese Identifikation macht den transpersonalen Menschen aus.

Es ist die Scheidelinie zwischen Innenwelt (Vertiefung) und Außenwelt. Diese Scheidelinie ist ein individuell im Körper und außerhalb des Körpers wahrnehmbarer Zustand. Es ist letztendlich ein spezieller Seinszustand, um den es mir hier geht.
Wer diesen erreicht hat, spürt real, ob ihn der andere erreicht hat. Die anderen Menschen reagieren unbewusst darauf: Sie öffnen sich und erzählen ihre Sorgen. Sie fühlen sich in der Gegenwart dieses Menschen wohl.

Ist dieser Schritt "geschafft", beginnt die eigentliche Meditationsarbeit. Jetzt wird der Meditationslehrer erst wichtig. Vorher war er mehr Leitfigur und jemand, der Hinweise gab, Übungen anwies oder anleitete. Jetzt wird er zum Wächter dieses Zustandes! Denn jetzt lauern zwei große Gefahren:

Da ist einerseits die Überheblichkeit und Eitelkeit und auf der anderen Seite die Gefahr des "Herausfallens". Der Meditierende fällt dann in die Dualität der Persönlichkeit zurück. Dieser Prozess des Wechselns der Ebenen dauert lange und ist sehr beschwerlich, denn die alten Mechanismen (auch die neurotischen) sind noch aktiv, können aber nicht mehr verdrängt werden.

Das hat zur Folge, dass der innere Zustand sehr ambivalent sein kann:

Subjektiv fühlt man sich sehr, sehr, schlecht.

Objektiv ist nur ein kleiner Schritt nötig und alles Verletzliche und Verwirrende verschwindet augenblicklich.

III. Das transpersonale Wesen

Die eben beschriebene transpersonale Persönlichkeit erkennt sich selbst Schritt für Schritt als eigenständiges, unverwechselbares Wesen, das aber gleichzeitig erkennt, dass alle Menschen dieses Wesen in sich haben. Gerade dieses Paradoxon ist das Befreiende.

Allmählich wächst nun diese transpersonale Persönlichkeit zum transpersonalen Wesen heran. Dann werden die wunderbaren Geschichten, die die alten Chinesen erzählen, Wirklichkeit: "Bin ich ein Schmetterling, der träumt, er sei ein Mensch, oder bin ich ein Mensch, der träumt, er sei ein Schmetterling?" Das ist gleich-gültig.

Dieser Weg geht nur über die Anerkennung, dass wir leibliche Wesen sind. Der Raum des Körpers ist der Ausgangspunkt!