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Die fünf Stufen der Wandlung

Nach Richard Heckler

Ich möchte hier einen Auszug aus dem ausgezeichneten Buch „Von der Weisheit des Körpers lernen“ von Richard Heckler (Ansata Verlag) zum Studium anbieten. Ich habe die Ausführungen in meinem Sinne leicht verändert. Dies Freiheit habe ich mir genommen, da es mir auf dieser Website um Anregungen zum inneren Wachstum geht und um keine wissenschaftliche Arbeit. Ich hoffe, dass mir Richard Heckler verzeiht! Der Leser mag beachten, dass Richard Heckler seine Erfahrungen aus dem Aikido-Kampfsport heraus beschreibt.

WANDLUNG und die 5 Stufen der Wandlung

Lernen ist ein Wandlungsprozess. Damit wir lernen können, müssen wir zu einem gewissen Grad, das loslassen können, was wir zu sein und zu wissen glauben. Wir lernen beim Übergang von dem, was wir sind, zu dem, was wir werden können, und erhalten dabei die Möglichkeit, auch zu sehen, wie wir lernen (Veränderung der Identifikation). Dass Wandlung natürlich ist, sogar kreativ sein kann, widerspricht den Vorstellungen, die in unserer Kultur vorherrschen. Uns wird eingeschärft und von uns wird erwartet, dass wir Wandlung als etwas Schreckliches ansehen, wegen der Verwirrung, die oft mit Wandlung einhergeht. Verkniffene Oberlippe, edle Märtyrer und Augen zu, sind die anerkannten Methoden den Veränderung entgegen zu treten. Deshalb haben in den Industrieländern so viele Krankheiten, die mit Stress und Angst zu tun haben, epidemisches Ausmaß erlangt. Veränderung und die damit verbundene Trauer, kann man aber auch annehmen und als Gelegenheit wahrnehmen, etwas loszulassen, was für die weitere Reise nicht mehr von Nutzen ist. Da unser Erziehungssystem Wert auf das Vermitteln von Konzepten legt, erhalten wir eine eher statische Vorstellung der Realität und lernen nicht, wie man Veränderungen durchleben kann und somit gesund an Leib und Seele bleibt. Wenn wir unserem Körper- und Energieleben Beachtung schenken, lernen wir allmählich, unseren eigenen Prozess sowie Prinzipien der Wandlung überhaupt zu erkennen und schließlich zu verstehen. Die Sprache des Körpers sagt uns, wann es Zeit ist, unsere Gefühle auszudrücken, und wann wir sie still nach innen nehmen sollen. Sie zeigt uns, wann wir uns abblocken, oder aus Angst zusammenziehen. Diese Möglichkeit, Schwierigkeiten körperlich anzugehen, nenne ich die Anatomie der Wandlung. Es geht um das Loslassen von Altem, damit Neues Gestalt annehmen kann. Der Weg durch die Wandlung ist ein organischer Prozess der Heilung und Erziehung, der dazu führt, dass wir uns tiefer und verbindlicher auf unser eigenes Leben einlassen. Er befasst sich mit dem ÜBERGANG vom Alten zu dem, was neu entsteht. In diesem Prozess geht es um das Vertrauen in die Weisheit unserer Energie, vor allem in Zeiten des Drucks und der Konflikte. Dieser Wandlungsprozess ist das Leben an sich.

Hier führt Heckler die 5 Stufen der Wandlung ein:

Zentrieren,
Erden,
Eingehen und Verschmelzen,
sinnvolles Handeln
und Vereinigung.

Diese Stufen sind einfach und direkt erfahrbar, sie sind Seinszustände und jeder Stufe ist auch ein gewisses Maß an Kraft eigen. Doch wenn man dieser jeweiligen Kraft erliegt, bleibt man unter Umständen auf der entsprechenden Stufe stehen.
Diese Stufen dürfen nicht statisch verstanden werden. Sie fließen ineinander und bauen aufeinander auf. Sie ergänzen sich und wechseln sich je nach Situation permanent ab.

I. Zentrieren

Das Zentrieren ist der Ausgangspunkt für unseren Weg durch die Wandlung. Es ist eine faszinierende Aufgabe für das WAS IST, bereit zu sein. Durch das Zentrum (Körperbewusstsein) kann diese Bereitschaft gedeihen. Zentriertsein (in der Körperwahrnehmung sein) bedeutet grundsätzlich Körperpräsenz. Auf ihr bauen die anderen Persönlichkeitszustände auf. Sie ist gewissermaßen das körperliche und energetische Basislager.

In Zeiten der Krise und des Umbruchs sind wir oft voll gestopft mit Vorstellungen darüber, was geschieht und was geschehen sollte. Wir reagieren dauernd und sind unfähig zu agieren. Das Körperbewusstsein ist der Bezugspunkt, nach dem wir uns richten können. Aus einer zentrierten Haltung heraus müssen wir uns fragen: „Bin ich bereit und offen für die aktuelle Situation?“ Wenn wir hilflos im Meer unserer Projektionen und Erinnerungen hin- und hergespült werden, dann ist der Körper ein Ankerplatz.

Zentrieren bedeutet letztendlich, den Körper ganzheitlich zu erleben, uns selbst als Schwere, Zeit und Raum zu erfahren. Das Zentrieren wird in den verschiedenen Kulturen auf verschiedene Weise gesucht.

Im Zen ist es das Hara = zwei Fingerbreit unter dem Nabel, als Mitte unserer Schwerkraft und als Quelle von Ki.
Den Sufis ist das Herzzentrum wichtig, wo sich Mitgefühl und Hingabe entfalten können.
Den Hindus ist das dritte Auge wichtig, das sich ein wenig oberhalb der Nasenwurzel befindet und als Zentrum der spirituellen Transzendenz gilt.
Für Hetty Draayer ist der Punkt zwei Finger breit über dem Schambein wichtig, da er jenseits von Emotion und Ego liegt. Haben wir uns da verankert, können wir von hier die anderen Zentren öffnen.

Diese Zentren stehen mit bestimmten Energiequalitäten in Verbindung und sind auf dem Weg unserer Selbstentfaltung kraftvolle Bezugspunkte. Letztendlich ist der ganze lebendige Körper das Zentrum. Da wir durch den Körper arbeiten, ist eine Zentrierung auf diesen Bezugspunkt immer möglich, ungeachtet von Haltungen, körperlichen Behinderungen oder Umgebung. Zentriertsein ist ein innerer subjektiver Zustand, der durch den Körper seinen Ausdruck findet. Wir können uns aus unserem Zentrum heraus hinlegen, dasitzen, ein schlafendes Kind tragen, Geschirr spülen oder Auto fahren. Zentriertsein ist eine Haltung uns selbst gegenüber, durch die wir uns in unserem Körper und durch unseren Körper und in jeder Situation präsent fühlen können.

Dieses Zentrum ist demnach ein Bezugspunkt, auf den wir immer zurückgreifen können, um ganzheitlich auf Lebenssituationen zu reagieren. Doch hier dürfen wir nicht stehen bleiben. Das Zentriertsein ist wie ein Tor, durch das wir zu unseren tieferen Bedürfnissen und Bewusstseinszuständen vorstoßen. Es ist nicht Selbstzweck, und so brauchen wir nicht ständig an seiner Perfektionierung zu arbeiten. Wenn ihr euch spüren könnt, eure Empfindungen, Temperaturen, euer Gewicht, euren Rhythmus der Erregungskraft und auch eure Schmerzen und Ängste, dann ist der Zustand des Zentriertseins sicher nahe oder sogar schon da. Gefahren: Zentriertsein setzt auch Kräfte frei. Die schlechteste Haltung, die daraus entspringen könnte, ist:„ Ich bin eine zentrierte Person, deshalb werden mich die Veränderungen nicht berühren.“ Das bedeutet ein Verlust von Offenheit und Flexibilität. Das lässt die Leute zwar stark, aber distanziert werden. Der narzißtische Anteil wird verstärkt: Ich bin das Zentrum von mir und der Welt. Alles dreht sich um mich. Wenn dann die Möglichkeit des Zentrierens abhanden kommt, bricht alles zusammen und die Menschen sind nicht mehr, als ein Häufchen Elend. Wir sollten uns daran erinnern, dass uns die Kraft des Zentriertseins helfen kann, wenn wir uns verloren und verängstigt fühlen. Aber wir dürfen uns nicht auf den Phänomenen des Zentriertseins ausruhen oder in ihm einigeln.

II. Erden

Wenn Zentrieren bedeutet, dass wir unsere Energiequelle benützen, dann stellt Erden die Verbindung zu den Qualitäten und Möglichkeiten dieser Energie her. Die Erdung stellt sich ein, wenn man die Energieströme, Gefühle, Empfindungen, aber auch Gedanken, die eine Veränderung auslösen, nach unten fließen lässt.

Die Energie, die in einem Umbruch als Verwirrung frei wird, kann als Erdungskraft verwendet werden. Ist es die Einsicht: Ich bin verwirrt, dann spüren wir dieser Verwirrung im ganzen Körper nach. Dann lassen wir ihre Energie mit der Schwerkraft nach unten fließen. Wir befinden uns im Nun, in der lebendigen Wirklichkeit unserer Situation. Das Erden holt uns aus unseren Gedanken, Vorstellungen, Ängsten und Fluchttendenzen und verbindet uns mit der Erde und der Schwerkraft. Durch das Erden werden die Dinge fassbar, klar und konkret. Wenn wir zulassen, dass ein Energieschub frei durch die Beine in die Erde fließt, dann werden wir verankert und können aus unserem aktuellen Sein anstatt aus der erworbenen Tendenz heraus reagieren.

Es liegt eine Weisheit in der Erregungskraft, die in Zeiten des Wandels durch uns fließt. Es ist wichtig, die Weisheit körperlich zu erfahren. Es ist eine wunderbare Erfahrung, wahrzunehmen, dass sie uns erden kann, und wir aus dieser Erdung heraus handeln können. Man kann Erdung in den Füßen spüren, die fest auf dem Boden stehen, oder im Gesäß, das fest auf dem Stuhl sitzt. Während sie mit jemandem sprechen, bleiben wir stets mit den Empfindungen und Energien in Füßen und Beinen in Kontakt. Allmählich spüren wir, dass die Erdung mit den Fußsohlen oder dem Gesäß nicht endet, sondern dass es noch einen Raum darunter gibt, der zu uns gehört. Wenn wir sprechen und zuhören, dann soll dies aus dem Gefühl der Verwurzelung heraus geschehen.

III. Eingehen und Vermischen

Nachdem wir uns Zentrum und Erdung erarbeitet haben, können wir uns den Zuständen des Eingehens und des Vermischens zuwenden. Damit stoßen wir zum Kern unserer Verwirrung und Wandlung vor. Auf den ersten beiden Stufen haben wir gelernt, uns zu öffnen. Sie stellen die Vorbereitung dar. Diese 3. Stufe nun erfordert unsere aktive Teilnahme am Wandlungsprozess. Wir reagieren nicht mehr bloß auf unseren inneren Prozess, wir lassen uns jetzt durch äußere Handlungen in aktuelle Situationen verwickeln. Trotzdem bleiben wir in der Wahrnehmung. Wir lassen uns auf Hindernisse ein oder gehen darauf zu und vermischen uns mit deren Energierichtung, aber immer aus der Identifikation mit dem Körperbewusstsein und der Erdung heraus. So gestalten wir uns aktiv und im Vertrauen auf die Intelligenz der Körpersignale immer wieder neu und überlassen uns dem Wandlungsprozess. Wie immer auch die Situation beschaffen ist, durch das „darauf eingehen“ und das Vermischen, können wir uns den Fluss der Energie und der Ereignisse nutzbar machen.

Eingehen

Die Lösung steckt im Kern des Problems und die Energie des Angriffs beinhaltet die Lösung. Wir dürfen also keinem Angriff ausweichen, uns aber auch nicht im Vordergrund des Angriffs verfangen. Wir bewegen uns auf die ankommende Energie zu, nehmen sie auf, lassen uns von ihr klären und reagieren aus der Weisheit unseres Inneren. dann können wir frisch und kreativ auf jede noch so unangenehme Situation eingehen. Das geht nur, wenn wir offen und einfühlend bei uns selbst bleiben. Wenn wir uns unserer eigenen Neurose oder unangenehmen Situation zuwenden, können wir sinnvoll mit uns und unseren Konflikten arbeiten. Sobald wir aufhören, vor dem, was uns Angst macht, davonzulaufen, können wir Verantwortung übernehmen für unsere Projektionen und gelangen direkt zum Kern unserer selbst und unserer Lage. Wichtig ist noch: Wenn wir auf etwas eingehen, werden wir stärker und verletzlicher zugleich.

Vermischen

Vermischen hat nichts mit Nachgeben oder kriecherischer Unterwürfigkeit zu tun. Es ist ein aktives Teilhaben, das uns in Zeiten des Umbruchs und der Krise Kraft gibt. Es ist zwar gekennzeichnet durch Hingabe und Geschehenlassen, doch keinesfalls durch Resignation, denn es geschieht aus dem Körperbewusstsein und der Erdung heraus. Das Verschmelzen mit der Energierichtung ist eine Form des aktiven Zulassens (und Zuhörens), des aktiven Nichtwiderstehens. Das Ziel ist jedoch keinesfalls zu kämpfen, oder Konflikte anzuzetteln, sondern Konflikte aufzulösen.

Gefahren

Wenn wir lernen, uns auf den Kern unserer eigenen Erfahrungen einzulassen und uns damit zu vermischen, kann das dazu führen, dass wir auch die Vorgänge in anderen Leuten, in Organisationen und Systemen wahrnehmen. Das ist eine natürliche Erscheinung und an sich kein Problem. Doch wenn die Verlockung dieser Macht so groß wird, dass wir dauernd das Spielchen: „Ich weiß, was du tust, ich habe dich durchschaut“ treiben, haben wir unseren eigenen Pfad verlassen und sind in der Macht gelandet.

IV. Sinnvolles Handeln

Auf der Stufe des sinnvollen Handelns vertiefen wir unsere Körpererfahrungen und bereichern unser Leben mit einer weiteren Ebene der Lebendigkeit und Vitalität. Sinnvolles Handeln kann positiv oder rezeptiv sein. Seine Leitprinzipien sind: Sichausbreiten (positiv); Zulassen, Entspannen und Zeitgefühl (rezeptiv). Auf dieser Stufe können wir die eigene Kraft entfalten, ohne die Bedürfnisse der anderen aus den Augen zu verlieren. Wir wissen, wie weit wir uns ausbreiten und wie viel wir empfangen können. Entspannen und Zeitgefühl sagen uns auch, wann es Zeit ist zum Handeln und wann nicht.

Dem liegen keine Vorstellungen zugrunde, wie wir sein sollen, sondern die Körpererfahrungen, die aus dem Leben und dem unmittelbaren Handeln entstehen. Das heißt mit anderen Worten, dass der Ausgangspunkt für das sinnvolle Handeln weiterhin der Körper ist und nicht kulturelle oder moralische Vorstellungen. Setzt euch als Übung einfach auf den Stuhl, zentriert und geerdet. Geht nun auf die Richtung des Sitzens ein und vermischt euch damit. Stellt euch nun auf feinere Schwingungen ein, benützt das Sitzen als Übungsfeld.

Wie könnt ihr erreichen, dass Sitzen so mühelos und ganzheitlich wie möglich wird? Könnt ihr eure Wirbelsäule aufrecht und entspannt halten und zugleich Brust und Bauch weich und offen lassen? Kann euer Atem zu einer Welle werden, die eure Wirbelsäule sanft massiert? Könnt ihr so aufstehen, dass eure Bewegungen harmonisch, zentriert, geerdet und der Situation angepasst sind? Diese Fragen deuten die Seinsweise an, die den Kern dieser Stufe ausmacht.

Sich Ausbreiten (positiv)

Wir sind positiv, wenn wir unsere Energie auf eine positive Weise ausbreiten. Wenn wir aufgefordert werden, eine positive Haltung einzunehmen, werden wir meistens aggressiv und steif und lehnen uns nach vorne. Auf der Gefühlsebene verwechseln wir positiv oft mit dickköpfig und ehrgeizig. Das ist falsch verstandene Positivität und gehört zu dem verbreiteten narzißtischen Verhaltensmuster, das ausdrückt: „Ich ziehe meine Sachen durch, ob du mitmachst oder nicht.“ Die Erfahrung des Positivseins macht man allerdings nicht dann, wenn man die Grenzen eines anderen missachtet, um das eigene Territorium zu vergrößern. Positivsein ist ein Ausdruck des Lebens, durch den weder ein anderer beherrscht noch unterdrückt wird.

Zulassen ( rezeptiv)

Rezeptiv ist ein sanfter und sensibler Lebensausdruck, doch nur in seiner positiven Ausprägung. Es besitzt eine Anziehungskraft, die magnetisch wirken kann. Es entspricht der Yin-Energie, die oft mit Mond, Intuition, Nachgeben und Mutter in Verbindung gebracht wird. Falsch verstandenes Rezeptivsein sehen wir bei Leuten, die einfach unentschlossen sind.

Für die Übungen, die das Rezeptivsein fördert, ist es wesentlich, einen verlässlichen Boden und ein gutes Zentrum zu schaffen, ohne dies bleibt Rezeptivsein etwas Mulmiges und Kraftloses. Wenn Erdung und Zentrum da sind, hat es eine Qualität, die Einflüsse zulassen kann, ohne dass wir unsere Grenzen oder das Selbstwertgefühl aufgeben müssen. Ich hoffe, dass jeder von euch im Laufe der Zeit bis zu diesem Punkt gekommen ist oder noch kommt. Den nächsten Schritt werden wahrscheinlich nur wenige gehen.

V. Vereinigung

Auf das sinnvolle Handeln folgt die Stufe der Vereinigung mit unserer Wandlung. Wir verkörpern nun die Wandlung so weit, dass wir nicht mehr von ihr getrennt sind: Wir sind die Wandlung. Der Wandel ist vollzogen, und wir sind nun, ohne zu zögern oder zu urteilen Kanal für die Energie, die durch uns hindurchströmt. Wir empfinden Freude, gemischt mit Ehrfurcht, fest auf unseren Füßen zu stehen und die Vereinigung mit uns selbst und der Situation zu feiern.

Vereinigung unterscheidet sich grundsätzlich von den anderen Stufen, da sie mehr ein Zustand als ein bewusstes Handeln ist. Sie ist nicht leicht zu beschreiben, weil wir uns in diesem Zustand nicht eigentlich selbst beobachten. Aufmerksamkeit ist zwar vorhanden, doch ist sie sich ihrer selbst nicht bewusst. Wir sind in diesem Zustand eine Art Übermittler oder Kanal für die Energie, die gleichzeitig unser Innerstes und die Welt berührt. In der Vereinigung beobachten wir uns nicht und denken nicht über unsere Handlungen nach.

In der Vereinigung überlassen wir uns ganz dem Energiestrom in uns. Wir geben uns hin. Wir sind voll und ganz unser eigener Ausdruck. Wenn wir Liebe ausdrücken, sind wir verkörperte Liebe; wenn wir traurig sind, sind wir verkörperte Trauer; und wenn wir die Hand ausstrecken, dann geschieht es ohne Rückhalt oder Urteil - wir sind physisch, gefühlsmäßig, intellektuell und geistig das Handausstrecken geworden.

Bis dahin hat unsere körperliche Teilnahme am Wandel darin bestanden, Gefühl und Wahrnehmung zu vertiefen und zu schärfen. Unsere Fertigkeiten haben nun ihr volles Potential erreicht. Es gilt nun, die Struktur loszulassen und mit ihrem Zweck Fühlung aufzunehmen. Dann befinden wir uns in der reinen Form der Intuition.

Der Zustand der Vereinigung hilft uns auch, uns an unsere spirituelle Natur zu erinnern; in ihm werden Gefühle wie Ehrfurcht, Wunder, Freude, Sinn und Zweck angesprochen. Wir spüren unser Bedürfnis nach dem, was größer und universeller ist als unsere Egospiele des Kampfes, der Manipulation und Macht. Vereinigung ist mehr als eine bloße Idee von unserer spirituellen Natur. Sie ist eine Körpererfahrung, die sich als Direktheit und Offenheit in unseren Alltag überträgt.

Wenn wir in einem Zustand der Vereinigung sind, sind die Vorgänge in unsern Zellen, unsere Handlungen und Gedanken rhythmisch im Einklang mit einer höheren Ordnung.

Der Rhythmus der Erregungskraft

Die Qualitäten, die jeder Stufe innewohnen sind Erwachen, Wachsen, Fülle und Erfüllung.

Eine Zusammenfassung über Hecklers Definition:
Jeder von uns hat seinen eigenen energetischen Rhythmus oder Stil. Dieser bestimmt, wie wir Kontakt schaffen, wie wir uns in Umbruchzeiten bewegen, wie wir arbeiten oder spielen, wie wir Dinge gestalten, wie wir unsere Tage verbringen.

Am offensichtlichsten zeigt sich unser Stil in neuen Situationen, wo wir uns tendenzmäßig entweder sofort ausbreiten oder zurücknehmen. Unsere erste Reaktion ist in jeder Situation dieselbe. Sie kann einen Bruchteil einer Sekunde dauern, doch sie ist da. Das ist die erworbene Tendenz. Aus dieser Anfangsbewegung nach außen und innen, gehen wir im Idealfall zu unserem Rhythmus der Erregungskraft über. Unsere Erregungskraft mit ihrem rhythmischen Pulsieren durchläuft vier verschiedene Phasen:

Das Erwachen, das Wachsen, die Fülle und die Erfüllung. Wir können diese vier Phasen als Leitfaden betrachten, an dem wir beobachten können, wie wir energetisch mit uns selbst umgehen. Unsere Erregungskraft durchläuft im Körper die Jahreszeiten: Geburt und Erwachen, Wachstum und Aufbau, Reife und Fülle und zuletzt Ausdruck und Vollendung.

Durch die erworbene Tendenz, die in unserer Vergangenheit entstanden ist und nun unsere Reaktionsmuster prägt, ist unser Rhythmus aus dem Gleichgewicht geraten. Irgendwann während unserer Entwicklung mussten wir alle einen Teil von uns verkümmern lassen, damit andere Teile wachsen und sich entwickeln konnten. Deshalb sind wir in gewissen Teilen stärker und in anderen schwächer. Es gilt diese Teile herauszufinden.

ERWACHEN

Wenn wir uns bemühen, das rechte zu tun, werden wir steif und verbissen. Unsere Kreativität erlischt.

Erst wenn wir die natürliche Neugier und Lust am Forschen des Kindes zurückgewinnen, oder zulassen können, gelangen wir in unsere Mitte und kommen in Kontakt mit unserer Erregungskraft. Wir spüren dann die Energie, die durch unsere Beine strömt, das Kribbeln in unserer Hand und auch, wie wir den Atem zurückhalten oder loslassen. In Zeiten des Umbruchs fehlt uns häufig diese einfache Neugier und das Interesse, die für den Lernprozess so wichtig sind. Neugier und Interesse sind die Schlüssel zu unserem Erwachen. Wenn wir der Neugierde nachgeben, beginnen wir, uns zu erwecken und zu inspirieren.

Wenn wir uns energetisch erwecken, antworten wir auf Impulse, Wünsche und Bedürfnisse. So, wie die ersten Erfahrungen mit der Schwerkraft das Kind begeistert (Treppen steigen) und seinen Entdeckerdrang wecken, so beginnen wir, die Reaktionen unserer Erregungskraft auf Wünsche und Bedürfnisse zu entdecken.

Es gibt Zeiten der Ruhe, in denen wir schauen und lauschen, wer wir sind.Und es gibt Zeiten, in denen es notwendig ist, unseren Wünschen und Bedürfnissen nachzugeben. Dies ist der Weg der Leidenschaft. Wir bringen alles, was wir sind (auch unsere Ängste), in unsern persönlichen Prozess ein und lassen daraus eine würzige, reichhaltige Suppe entstehen. Unser Erwachen regt Kontakt und Anpassung, die beiden Instrumente der menschlichen Evolution an.

WACHSEN

Wir alle kennen Leute, die dauernd voller Ideen sind, aber wenig oder keine Durchhaltekraft haben. Sie sind wie Novasterne, die einen Moment in hellem Glanz aufleuchten und dann erlöschen.

Das Wachsen der Erregungskraft und der Spannung, die nötig ist, damit eine Idee Gestalt annehmen kann, bleibt aus. Die Energie verdichtet sich nie zu einer Gestalt. Wenn wir in einem solchen Kreislauf der Nichterfüllung gefangen sind, werden wir frustriert und beginnen, die anderen für den ausbleibenden Erfolg zu beschuldigen. Ob wir die erweckte Energie aufbauen, den Kontakt zu ihr intensivieren können, hängt von unseren Fähigkeiten ab, mit ihr in Kontakt zu bleiben und das Strömen, Aufwallen, und Vibrieren weiter in unserem Körper zuzulassen.

Wenn wir uns selber sabotieren, weil wir die eigenen Gefühle nicht aushalten können, sabotieren wir vermutlich auch die anderen, sobald sie mehr von sich selber fühlen. Man kann das Wachsen der Energie und den Aufbau der Energieschranken durch das Spannen und Entspannen der Muskeln erleben. Wir müssen lernen, die Energieströme in unseren Zellen und Muskelfasern zu achten und nichts anderes zu tun, als mit ihrer Kraft und Bewegung in Kontakt zu bleiben.

DIE FÜLLE

Die Fülle ist der Moment, in dem unser Vorwärtsstreben nach Wachstum und Ausdehnung zur Ruhe kommt. Unsere Energie ist nicht mehr im Suchen und Wachsen begriffen, sondern reift, indem sie sich innerhalb ihrer Begrenzungen ausbreitet. Vielleicht erleben wir unser Reifen in unserem persönlichen Wachstum, in unserem Beruf, in einer Beziehung oder Handwerk. Wir erleben es da, wo wir spontan sagen können: „ Ich weiß, wie man dies tut, und ich tue es gern.“ Nach dem Anwachsen unserer Erregungskraft tritt eine Festigung ein. Wir erleben die Schranken, die uns halten, als lustvoll und erfüllend. Der Vorwärtsdrang lässt nach, und wir nehmen uns an, wie wir sind.Wenn wir das Erwachen und Wachsen unserer Energie mit einer wachsenden Pflanze vergleichen, dann entspricht die Zeit der Fülle der Entfaltung der Blätter und Blüte.

Wir müssen uns ermahnen, unsere Fülle zu genießen und zu kosten. Sonst entladen wir uns ständig und verwurzeln uns nicht in unserer Erfahrung. Unserem Leben fehlt dann die Tiefe und Fülle. Wir werden wie Wasserläufer, und bleiben auf der Oberfläche eines reichen, tiefen Wassers.

ERFÜLLUNG

Die kreative Befriedigung, die dem Abschluss einer Sache innewohnt, entspringt unserer energetischen Erfahrung und nicht unserem Denken. So wie das Abschießen eines Pfeiles Platz macht für den nächsten, ist auch der Abschluss eines bestimmten Kontaktzyklus das Ende einer Formwerdung und macht einem Neubeginn Platz.

Dieses Beenden ist für die meistens äußerst schwierig. Sie sind vom Rhythmus ihrer Erregungskraft abgeschnitten und reagieren meistens auf eine der drei folgenden Arten:

Sie schließen mit einer Kurzschlusshandlung ab, was noch nicht beendet ist;
Sie überdecken ein Ende mit unangemessener Anhänglichkeit;
Oder sie versuchen, etwas am Leben zu erhalten, was eindeutig zu Ende ist.

Viele klammern sich z.B. an Wut und Ressentiments gegen die Eltern, damit sie die Verantwortung des Erwachsenseins nicht auf sich nehmen müssen. Solange wir klammern, können wir andern die Schuld für die verpasste Erfüllung zuschieben.

Das Beenden oder Abschied nehmen ist ein natürlicher Teil unseres Energierhythmus, ohne den nichts Neues Gestalt annehmen kann. Vollenden wir das Alte nicht, sind unsere Neuanfänge umzingelt von den Geistern der Vergangenheit.

Wenn wir Angst haben vor unserem Gefühlsleben oder gelernt haben, gewisse Gefühle unter Verschluss zu halten, ist es uns nicht möglich, etwas ganz abzuschließen. Das ist die Falle, in der viele so genannte Esoteriker festsitzen, denn hier geht es auch darum, unsere negativen Gefühle zuzulassen und zu würdigen. Wenn wir in unserem Leben viele unvollständige Gestalten haben, um den Begriff von Fritz Perls zu brauchen, signalisiert unser Körper dies auf verschiedene Arten. Wenn sich jemand über Kopfschmerzen, Verstopfung, Krämpfe, Sehschwierigkeiten, Kreuzschmerzen beklagt, dann sollte er sich fragen: „ Was habe ich nicht abgeschlossen? Woran halte ich fest? Auf welche unabgeschlossenen Gestalten will mich mein Körper aufmerksam machen?“

Bei Abschlüssen, die durch unsere Energie gelenkt werden, sind wir dann fähig zu sagen: „Diese Gestalt mag meine Erregungskraft nicht mehr zu halten“ oder „Was mich einst genährt und gelehrt hat, begeistert und interessiert mich nicht mehr.“

Schlussbemerkung

Wie ihr gemerkt habt, geht Heckler überwiegend von der Körpererfahrung aus. Emotionen und Denken berührt er nur nebenbei. Das kommt von seinem Aikidoweg. Wenn er oft 8 Stunden am Tage übt, gehen die Emotionen und Gedanken automatisch mit. Wir, die im Alltagsleben dieser Gesellschaft stehen, müssen auch diese beiden Instrumente intensiv bearbeiten.

Trotzdem sind mir diese Ausführungen Hecklers so wichtig, dass ich sie gern den Lesern zur Verfügung gestellt habe.