Vom Ich zum Ich bin
(Text vom 22.02.2002)
Ich möchte folgende These aufstellen: Menschen, die im - Ich (im Ego) leben, sind nur darauf bedacht, dass es ihnen gut geht.
Selbst wenn sie möchten, dass es auch anderen gut geht, zählen sie darunter, da dies meistens aus dem geheimen Wunsch heraus kommt: Wenn es den anderen gut geht, geht es mir gut, denn ich erhalte von ihnen Freude und sie wecken in mir keine unangenehmen Gefühle.
Diese Menschen leben aus unbewussten Werthaltungen heraus, und ihr Verhaltens- und Einstellungspotential kommt aus unbewussten Quellen im Innern.
Erst wenn diese Menschen den Schritt vom –Ich zum Ich bin Ich wagen, werden sie Hilfe aus diesen Webseiten herauslesen und somit bekommen. Dieses >Ich bin Ich< beinhaltet die entscheidende Frage:
Wer bin ich eigentlich?
Was bin ich eigentlich?
Wie bin ich eigentlich?
Die Frage:“Wie bin ich eigentlich?”, ist der erste Schritt auf dem Weg zur Freiheit. Ich erkenne dann, dass ich aus Reaktionsmustern bestehe, dass ich mich mit meinen Mechanismen identifiziere. Wenn ich auf d er Suche nach dem Bereich in mir bin, der von diesen Mustern beherrscht wird, bin ich auf dem Weg zum >Ich bin Ich<.
Das heißt letztendlich, ich drehe den Spieß um: Ich benutze meine angelernten Reaktionsmuster und werde von ihnen nicht mehr beherrscht. Bin ich an diesem Punkt angelangt, stören mich leidvolle Erfahrungen nicht mehr. Ich bin in der Lage, diese leidvollen Erfahrungen so anzunehmen wie freudige Erfahrungen und kann mit ihnen umgehen, denn sie beherrschen mich nicht mehr. Die Wertungen spielen nur noch eine untergeordnete Rolle.
In der Zeit dieses Umbruchs (vom —Ich zum Ich bin) befinden wir uns in einem schwierigen Zustand. Wir benötigen ständig Hilfe, falls wir uns nicht in eine Höhle oder in ein Kloster zurückgezogen haben.
Aber auch für die Menschen, die auf dem Weg vom Ich bin Ich zum Ich bin sind, schreibe ich diese Webseiten. Das sind die unter euch, die erkannt haben, dass die Verteidigung des Ich bin Ich und alle Wertungen und Beurteilungen unnötig sind. Sie leben mehr und mehr aus einem genügsamen “Es ist genug. Es ist gut, wie es ist - Zustand” heraus.
Aber Achtung, das kann man sich auch einreden: Wenn man in diesem Zustand ist, weiß man es absolut sicher. Spürt ihr dies nicht, sondern nehmt diese Aussage als Norm, macht ihr euch etwas vor und lebt aus den Vorstellungen heraus und nicht aus einem Seinszustand. Dieser Seinszustand wird als Empfindung wahrgenommen. Man ist eins mit dem Empfinden, also nicht mehr mit den Formen, die aus den Empfindungen entstehen.
Oft blitzt das Geistige, das dahinter liegt, auf. Darum möchte ich diesen Bewusstseinsaspekt demnächst Empfindungsbewusstsein nennen.
Hinweis einer Leserin: Für mich sind diese Zustände die Ausnahme: An Wochenenden, seltener in Alltagssituationen. Jedoch ist ein solcher Zustand derart stark und einprägend, dass er mir als Anker dient. Er liegt tief im Meer, weit unter der Oberfläche (den Mechanismen), die den Blick versperren. Aber einmal den Zustand gelebt zu haben, reicht aus, um zu “wissen”, dass die Mechanismen nur “Schaumschlägerei” sind.
Antwort: Dieser Zustand ist das Meer. Er liegt nicht so tief, wie du glaubst oder befürchtest. Jede Nacht bist du mehrmals darin, sonst könntest du nicht überleben. Er ist allerdings fast immer jenseits der Traumebene und deshalb auch des nachts dem normalen Bewusstsein entzogen.
Es reicht leider nicht, in ihm einmal gelebt zu haben, dazu muss intensive Meditationsarbeit kommen und eine Änderung der Sicht. Um dies zu ermöglichen, mache ich mir die Arbeit mit diesen Webseiten.
So beachtet auch, dass ihr dieses Ich bin als Ziel nie erreichen könnt, wenn ihr es als wertvoller als die anderen persönlichen Ziele anseht. Das wirklich Wertvolle daran ist, dass wir erkennen, dass wir zum Dienen geboren wurden und dass das Dienen-Dürfen das wertvollste erreichbare Ziel ist. Hier beginnt das eigentliche Paradoxon: Wer nicht den Wert dieses Dienens erkennt, ist nicht an diesem Punkt und sollte sich keine Gedanken darüber machen. Meistens verstehen wir unter Dienen ein sich Unterwerfen und dies ist es gerade nicht. Dieses Dienen ist eine Gunst und ein unendlich wertvolles Geschenk. Es ist das Freisein an sich, denn ich bin nicht mehr der Illusion des Egos unterworfen. Wir verlieren uns nicht mehr in den Scheinkampf, der durch und von ihm geführt werden muss.
Eben bekam ich einen Anruf von einer Meditationsteilnehmerin. Nach etwa 10 Jahren hat sie diese Woche den Sprung vom Ich bin Ich zum Ich bin gewagt, beziehungsweise, es geschah. Sie berichtete von der Säule, von der farbigen Pyramide, von Freude, aber auch von Angst. Sie berichtete, dass sie plötzlich Heiligenbilder, die sie zeit ihres Lebens abgelehnt hatte, anders sah. Sie las meine Aufzeichnungen anders, verstand vieles neu und konnte mit Hettys Büchern plötzlich etwas anfangen. Wichtig für die, die vor dem Sprung stehen, ist noch, dass ich gerade in den letzten Monaten Angst hatte, sie würde mit dem Meditieren aufhören, da sie nur frustrierende Erfahrungen in ihren Meditationen hatte.
Aus dem Erleben mit euch möchte ich folgende Aussage machen: Einige wenige stehen noch auf der Kippe vom –Ich zum Ich bin Ich. Viele von euch neigen sich vehement dem Ich bin Ich zu. Wenige stehen auf der Kippe vom Ich bin Ich zum Ich bin. Nur ganz wenige haben erkannt, was Ich bin heißt, fliegen mir aber zu oft noch heraus. Über die letzten Schritte zum “Ich bin, der/die/das Ich bin” brauchen wir hier nicht zu sprechen. Ich wollte damit nur auf eine weitere Möglichkeit hinweisen.
Die größte Schwierigkeit für mich beim Schreiben des Buches besteht also darin, für drei verschiedene Wesen zu schreiben. Ich benutze hier das Wort Wesen, da durch meine Ausführungen hoffentlich klar wird, dass das Wort Mensch für diese Ausführungen zu ungenau und schwammig ist.
Was für den Menschen, der im Ich lebt stimmt, stimmt für den Menschen als Ich bin Ich nicht und schon gar nicht für den Menschen im Ich bin. Es ist sogar noch schlimmer: Die Anweisungen für das Ich widersprechen oft den Anweisungen für das Ich bin.
Das ist auch an den Wochenenden meine Schwierigkeit, wenn ich Fragen beantworten muss.
Es bleibt mir nur übrig, einen Kompromiss zu schließen: Ich schreibe im Sinne des Ich bin Ich mit Hinweisen für das Ich und das Ich bin. Diejenigen unter euch, die im Ich bin sind oder glauben, es zu sein, sollten besser hin und wieder eine Einzelstunde nehmen.
Eine weitere Schwierigkeit, die in solchen Aufzeichnungen liegt, erkennt ihr vielleicht selbst, wenn ihr an die vier grundsätzlichen Entwicklungsschritte des LEBENS als Wachstumsprozess erinnere:
Der unterste sind die Kristalle, die sich in unendlicher Formenvielfalt in Jahrmillionen entwickelt haben.
Als nächstes sind da die Pflanzen, die sich in einer sehr, sehr großen Formenvielfalt zeigen und die Tiere mit ihrer großen Formen- und Entwicklungsvielfalt.
Nur der Mensch hat als Gattung eine einzige äußere Form gebildet. Daher liegt seine Formenvielfalt im Innern. Daraus schließe ich, dass jeder seinen Weg gehen muss. Also, auch aus solch einer Aufzeichnung, wie ich sie hier zu entwerfen versuche, seine ureigensten Schlüsse ziehen muss, die sich mit den Schlüssen anderer - und meiner - nicht decken können und brauchen.
II. Die transpersonale Persönlichkeit,
das eigentlich Menschliche in uns.
Wie viele Suchende wurde auch ich am Anfang meiner Suche von den Beschreibungen des absoluten Zustandes verführt. Dieser Zustand war mein Ziel, etwas anderes kam mir nicht in den Sinn!Im Laufe der Jahre erkannte ich jedoch, dass dies für uns auf der Erde Lebenden kein Ziel sein kann. Ich jagte einem Hirngespinnst, im wahrsten Sinne des Wortes, nach. Das, was in den Weisheitslehren als Große Befreiung dargestellt wird, kann man als individuelle Persönlichkeit nicht erreichen. Das ist unmöglich.
Es geht für mich um das “Sterben” der Persönlichkeit; um das Überwinden der vielen “Mechanismen”. Aber überwinden heißt nicht, dass sie dann weg sind. Das ist das Ziel der Askese, die für mich eine Sackgasse ist. Überwinden bedeutet, dass in uns, jenseits der Dualität, eine neue Kraft, ein neuer Zustand heranwächst.
Der Weg des Beobachters und der Wahrnehmung (aus der Ebene der Persönlichkeit), stabilisiert sich und der betreffende Mensch identifiziert sich mehr und mehr mit der leiblich (nicht körperlich) real existierenden Kraft.
Diese Identifikation macht den transpersonalen Menschen aus.
Es ist die Scheidelinie zwischen Innenwelt (Vertiefung) und Außenwelt. Diese Scheidelinie ist ein individuell im Körper und außerhalb des Körpers wahrnehmbarer Zustand. Es ist letztendlich ein spezieller Seinszustand, um den es mir hier geht.
Wer diesen erreicht hat, spürt real, ob ihn der andere erreicht hat. Die anderen Menschen reagieren unbewusst darauf: Sie öffnen sich und erzählen ihre Sorgen. Sie fühlen sich in der Gegenwart dieses Menschen wohl.
Ist dieser Schritt “geschafft”, beginnt die eigentliche Meditationsarbeit. Jetzt wird der Meditationslehrer erst wichtig. Vorher war er mehr Leitfigur und jemand, der Hinweise gab, Übungen anwies oder anleitete. Jetzt wird er zum Wächter dieses Zustandes! Denn jetzt lauern zwei große Gefahren:
Da ist einerseits die Überheblichkeit und Eitelkeit und auf der anderen Seite die Gefahr des “Herausfallens”. Der Meditierende fällt dann in die Dualität der Persönlichkeit zurück. Dieser Prozess des Wechselns der Ebenen dauert lange und ist sehr beschwerlich, denn die alten Mechanismen (auch die neurotischen) sind noch aktiv, können aber nicht mehr verdrängt werden. Das hat zur Folge, dass der innere Zustand sehr ambivalent sein kann:
Subjektiv fühlt man sich sehr, sehr, schlecht.
Objektiv ist nur ein kleiner Schritt nötig und alles Verletzliche und Verwirrende verschwindet augenblicklich.
III. Das transpersonale Wesen
Die eben beschriebene transpersonale Persönlichkeit erkennt sich selbst Schritt für Schritt als eigenständiges, unverwechselbares Wesen, das aber gleichzeitig erkennt, dass alle Menschen dieses Wesen in sich haben. Gerade dieses Paradoxon ist das Befreiende.
Allmählich wächst nun diese transpersonale Persönlichkeit zum transpersonalen Wesen heran. Dann werden die wunderbaren Geschichten, die die alten Chinesen erzählen, Wirklichkeit: “Bin ich ein Schmetterling, der träumt, er sei ein Mensch, oder bin ich ein Mensch, der träumt, er sei ein Schmetterling?” Das ist gleich-gültig.
Dieser Weg geht nur über die Anerkennung, dass wir leibliche Wesen sind. Der Raum des Körpers ist der Ausgangspunkt!