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Gespräche führen

Zur Meditationsarbeit im Alltag gehört auch die Wahrnehmung, wie wir Gespräche führen. Oder anders ausgedrückt: Wie wir in einem Gespräch anwesend sind.

Wir wollen einmal betrachten, wie ein normales Gespräch meistens abläuft:
Nach der Begrüßung sucht jeder blitzschnell ein Thema und bietet es dem Gegenüber an. Das Thema richtet sich nach dem Bekanntheitsgrad, bzw. der Nähe der Beziehung.

Als zweiter Schritt werden gemeinsame Themen eruiert. Schon während des Gesprächs werden neue Themen gesucht und angeboten. Das normale Gespräch dient ausschließlich der Begegnung, um soziale Kontakte und Bedürfnisse abzudecken. Der Inhalt ist zweitrangig, und so bietet sich das Wetter sehr gut an. Nach dem Gespräch fühlt man sich oft besser, denn ein tief in uns sitzendes Kontaktbedürfnis wurde gestillt. Oft weiß man hinterher nicht mehr, über was man gesprochen hat. Das ist auch nicht wichtig, und keiner verlangt es vom anderen.

Sehr störend für dieses Stillen des Kontaktbedürfnisses ist, wenn der andere nicht auf das eigene Gesprächsangebot eingeht, sondern stets sein eigenes Thema einbringt. Dann fühlt man sich unbefriedigt und eventuell auch zurückgestoßen.

Ganz anders könnte ein Gespräch verlaufen, wenn, je nach Beziehung, einem der beiden - nennen wir ihn A - ein Problem auf der Seele brennt. Jetzt tritt bei diesem das oben erwähnte Kontaktbedürfnis ein wenig in den Hintergrund und das Bedürfnis nach Lösung des Problems in den Vordergrund. „B“ ist jedoch noch auf der „Ebene“ des Kontaktbedürfnisses und wird nun mit dem Lösungsbedürfnis des anderen konfrontiert. A verlangt unbewusst, dass B sein Bedürfnis zurückstellt und sich ihm zuwendet. Und hier beginnt die Irritation, die in vielen dieser Gespräche vorhanden ist und sehr oft einen schalen Geschmack – oder mehr – hinterlässt. Wenn es B nicht gelingt, sein Bedürfnis zurückzunehmen, wird er sich missbraucht fühlen, und gleichzeitig fühlt sich A völlig missverstanden. Die Beziehung kann dann nachhaltigen Schaden nehmen.

Gelingt es aber B, sein Bedürfnis zu bremsen, so kann sich ein intensives Gespräch ergeben, das für beide auch im Nachhinein wesentlich befriedigendere Empfindungen hinterlässt als das oben erwähnte. Um dieses Zurücknehmen und Bremsen geht es mir. Ich verlange regelrecht vom Meditierenden, dass es ihm gelingt, und er die Reife besitzt, als B ( als Angesprochener ) so gut wie immer auf den anderen einzugehen. Denn dieses Eingehen, Zuhören und Lauschen gelingt nur auf einer Ebene, die ich als Meditation bezeichne. So möchte ich jedes intensiv geführte Gespräch als Meditation bezeichnen. Durch die Intensität des Beteiligtseins von B (B braucht dabei noch nicht einmal etwas zu sagen) fühlt sich A angenommen und gesehen. Er wird dann von B auf die Meditationsebene geführt, die hinter den Emotionen liegt, und das Problem (siehe Kommentar am Ende) relativiert sich von selbst. A wird dann nicht mehr vom Problem beherrscht, sondern hat nur noch ein Problem. So kann er wieder die Zusammenhänge erkennen, die ihn zu dem Problem geführt haben, und es gelingt ihm meistens, selbst die Lösungen zu finden.

Ich möchte die beiden Gesprächsformen mit einer Zeichnung verdeutlichen:

Bei der ersten Zeichnung möchte ich zeigen, wie sich jeder „in das Thema ergießt“.


Bei der zweiten Zeichnung steht die Begegnung im Mittelpunkt und aus der Begegnung ergibt sich, allein durch die Anwesenheit von B und die Bereitschaft zuzuhören, die Lösung. Das offen-sicht-liche Thema rückt dabei an den Rand. Dadurch bekommt A Abstand zu dem Thema und ist so fähig eine eigene Lösung zu finden, denn das Thema beherrscht ihn nicht mehr. Er kann nun das Thema beherrschen.

Gefahren oder Fehler
Da die oben ge- und bezeichneten Gesprächsformen fließende Übergänge haben, kommt es ganz auf B an, ob die zweite Gesprächsform für beide intensiv bleibt oder nicht. Ich möchte hier nur einige wenige Fehler von B andeuten:
B gibt zu viele Ratschläge.
B erzählt zu viel von sich und zwingt dadurch A, sich zwischendurch mit ihm zu beschäftigen.
B beteiligt sich emotional zu sehr mit der angebotenen Problematik und achtet nicht die Grenze zwischen sich und dem anderen.
B interessiert sich nicht für die Problematik und signalisiert dadurch dem anderen: „Du interessierst mich nicht“. Der andere wird sich sofort innerlich zurückziehen.

Kommentare des Korrekturlesenden:
„1. Hier bin ich, ehrlich gesagt, skeptisch. A wird sich doch nur auf die Meditationsebene führen lassen, wenn er generell einen Draht dazu hat, offen ist dafür.

Mein Kommentar dazu:
Ich bin überzeugt, dass in jedem Menschen, ob er es wahrnimmt oder nicht, diese Meditationsebene immer aktiv ist. Sie gehört meiner Erfahrung nach zu dem berühmten Unbewussten.

2. Ich nehme einmal das andere Extrem an: Es gibt Leute (A), die einen einfach mit ihren Sorgen „zumüllen“ möchten, die vielleicht nur bestätigt bekommen wollen, wie furchtbar arm sie doch dran sind und bei denen ich mitunter wirklich bezweifle, ob sie an einer Lösung ihres Problems wirklich interessiert sind. Diese Leute lässt Du hier vollkommen außer Acht.“

Mein Kommentar dazu:
In diesen Fällen, die leider recht häufig sind, wird es B, wenn er ehrlich zu sich selbst ist, nicht gelingen auf der Meditationsebene zu bleiben. So sollte er, bevor er diese verlassen muss, (um dem anderen zu helfen), seine Grenzen der Bereitschaft, auf der Linie A-B zu bleiben, zeigen. Gerade diese Frustration kann in A ein Umdenken erzeugen. So dass diese „Härte“ die beste Hilfe ist.