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Die Eltern

Manch einer der Leser wird sich fragen: "Was haben meine Eltern mit meiner Meditation zu tun?" Meiner Erfahrung nach sehr viel.

Da mein Meditationsansatz die Meditation im Alltag ist, steht die Alltagspersönlichkeit und die Betrachtung der Alltagspersönlichkeit zumindest in den ersten Jahren im Mittelpunkt. Auch später fallen wir immer wieder durch die Auseinandersetzung mit äußeren Stressfaktoren zumindest zeitweise in die alten Strukturen zurück. Dann sind die alten längst überwunden geglaubten Mechanismen sofort wieder aktiv.

Das transpersonale Wesen des Menschen, das sich im Alltag als transpersonale Persönlichkeit ausdrückt, kommt erst nach vielen Jahren zur Blüte. Selbst wenn wir "gelernt haben" aus den inneren Räumen der transpersonalen Persönlichkeit heraus zu leben, besteht immer wieder die Wahrscheinlichkeit, dass wir in Notlagen "zurückfallen". Das ist natürlich nicht schlimm und gehört zu unserem Leben dazu, doch wir sollten dann jede Möglichkeit nutzen und zusehen, wieder mit der transpersonalen Ebene des Raumes in Kontakt zu kommen.

Die Alltagspersönlichkeit ist meines Erachtens (pauschal ausgedrückt) zu 50 % durch Vererbung geprägt. Diese Vererbung kann sich auf die Eltern beziehen (auf beide oder schwerpunktmäßig auf einen Teil), oder auf vorangehende Generationen.
Die übrigen 50 % werden geprägt durch Modelllernen und Erziehung.

Ich habe hier bewusst Erziehung an den Schluss gesetzt, denn ich bin fest davon überzeugt, dass die gezielte Erziehung relativ wenig bewirkt. Das Modelllernen ist wesentlich prägender. Ein Vater oder eine Mutter, die ihre Werte oder Verhaltensweisen vermitteln wollen, ohne sich selbst daran zu halten, werden scheitern. Die vorgelebten Verhaltensweisen und Werte werden vom Kind -völlig unbewusst- übernommen.

Dies ist auch entscheidend für andere Erziehungspersonen. Die Schulkinder erkennen und erfassen z. B. sofort die Persönlichkeit des Lehrers und richten sich danach. So dass die angelernte "Pädagogik" des Lehrers zweitrangig ist, seine Persönlichkeit wirkt entscheidender. Eine neurotische Lehrerpersönlichkeit prägt neurotische Klassen, die integrierte Persönlichkeit integrierte Klassen, so dass jede Klasse ein Spiegel des Lehrers ist. Somit ist auch jedes Kind auf seine Art ein Spiegel der Familie, wobei ein bestimmtes Kind einen bestimmten Bereich des Spiegels repräsentiert. (Achtung: Die Vorprägung durch die Vererbung ist nicht zu vergessen!)

Das Ganze ist natürlich wesentlich komplexer. Ich wollte hier nur einige wenige Aspekte aufzeigen, um eine Grundlage für die weiteren Ausführungen zu schaffen.

Im Folgenden beziehe ich mich ausschließlich auf die Eltern.

Die Eltern vermitteln uns ein bestimmtes Bild und dieses Bild prägen wir uns in frühester Kindheit ein. Das geschieht nur manchmal bewusst – wie im folgenden Beispiel: Mein Sohn konnte gerade laufen. Er stand allerdings noch recht unsicher auf seinen Beinchen. Wir gingen über unsere große Terrasse und er umklammerte mit einer Hand einen meiner Finger. Plötzlich änderte sich etwas. Ich schaute zu ihm hinunter und er schaute mich grinsend an. Was war geschehen? Er hatte bewusst meinen Gang nachgeahmt. Diese Nachahmung findet in der Regel unbewusst statt.

Das Bild und die Realität
Das, was eben als bewusste Handlung geschildert wurde, findet natürlich viel häufiger auf der unbewussten Ebene statt.
Das Kind wird zwar zu 50% mit einer Prägung geboren, doch die ererbten Persönlichkeitsmerkmale sind nur der Hintergrund, von welchem aus das Kind die Außenwelt betrachtet und zu kopieren versucht. An dieser subjektiv gedeuteten Außenwelt misst und vergleicht es sich. In vielen Geschichten für Kinder wird dies immer wieder aufgegriffen: wie z. B. in der Geschichte vom "hässlichen Entlein", das von Geburt (Vererbung) her ein "stolzer" Schwan ist.

Nun wird es etwas kompliziert: Da ist der Vater X und das Kind A. Das Kind A sieht aufgrund seiner vererbten Prägung den Vater X nicht wie er ist, sondern macht sich nun ein Bild seines Vaters auf Grund seiner eigenen Prägung:

Es wird nun zur Persönlichkeit A + Bild von X (1) plus unbewusstes Modelllernen (2). Dieses brennt sich in ihm ein und wird sein Handeln in Zukunft mitbestimmen. Aus A + 1 + 2 wird die Persönlichkeit B.

In der Pubertät dieses Kind in die Pubertät kommt der Impuls zur Eigenständigkeit. Die Faktoren 1 + 2 in der Persönlichkeit B beginnen gegen den Vater zu kämpfen, da er ihnen zu ähnlich ist.

Der Vater sieht sich natürlich als X (mit seiner individuellen, subjektiven Sichtweise von sich) und versteht nicht die Aspekte des Kampfes, der durch seinen Sohn an ihn herangetragen wird.

Hier setzt die eigentliche Schwierigkeit ein:
Je mehr der Jugendliche gegen 1 + 2 des Vaters in sich kämpft, wird er den äußeren Vater „zwingen“, genau die Aspekte 1 + 2 zu zeigen. Sie werden regelrecht von dem Jugendlichen aus ihm hervorgelockt. Damit entsteht eine unüberbrückbare Pattsituation, die zu einer inneren Trennung voneinander führt. Die Intensität des Kampfes und diese Trennung haben zur Folge, dass sich im Jugendlichen die Aspekte 1 + 2 fast unlöschbar einbrennen.

Äußerlich hat der Heranwachsende nun seine Freiheit erlangt, in seinem unbewussten Bereich ist er jedoch stärker an den Vater gebunden als jemals zuvor.

Nun wurde durch den Kampf und die intensive Beachtung des 1 + 2 aus der Prägung eine Identifikation, die von dem Menschen selbst nicht mehr zu entwirren ist.

Gerade in der Gestalttherapie geht man genau auf diesen Faktor ein und versucht mittels des "Leeren Stuhles" diese Verwicklung bewusst zu machen.

Damit es noch etwas deutlicher wird: Gefährlich ist hierbei für den unerfahrenen Klienten die Therapieform von Hellinger (Familienaufstellung), denn der eben angeführte Aspekt wird oft nicht entwirrt, sondern nur überdeckt bzw. unterwandert und somit noch weiter in das Unbewusste (die Identifikation) gedrängt. (Das soll nicht heißen, dass nicht unendlich viel Wertvolles in dieser Methode liegt). Auch wenn man mit Hilfe der Familienaufstellung Frieden mit dem äußeren Vater geschlossen hat, bedeutet es nicht, dass man auch Frieden mit der Identifikation (1+2) des Vaters in sich geschlossen hat.

Doch genau darum geht es für mich in dieser Auseinandersetzung. - Nur um das!!!

Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass der Frieden mit dem äußeren Vater automatisch eintritt, wenn die Aspekte 1 + 2 im Inneren "bearbeitet" sind.

„Bearbeitet“ bedeutet hier, dass die Aspekte bewusst geworden sind und über die Bewusstheit ihre unbewusste Macht verloren haben. Die Schatten sind keine Schatten mehr und so braucht man sich keine fiktiven Ersatzfiguren weiterhin zu erschaffen.