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Geschlechterstreit
oder männlich – weiblich

Über dieses Thema sind schon unendlich viele Bücher geschrieben worden. Ich möchte hier keine neuen Theorien vorstellen, sondern nur darauf hinweisen, den Unterschied im weiblichen und männlichen Denken oder Verhalten immer wieder neu zu beachten. Lassen wir uns darauf ein, entsteht zwischen Paaren oder Kollegen und Kolleginnen nicht dass, was es häufig gibt: Streit.
Statt dessen kann Humor als Verbindung aufkommen.

Bevor ich mit meinen Beobachtungen beginne, möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass männlich - weiblich nicht mit Mann - Frau gleichgesetzt werden kann. Viele Männer sind weiblicher als so manche Frauen und umgekehrt. Doch fast alle Männer möchten nur männlich sein, und fast alle Frauen möchten nur weiblich sein. Fast alle Frauen möchten, dass die Männer weiblich denken, und fast alle Männer wollen, das die Frauen männlich denken, und so wird die Verwirrung unter den Geschlechtern oft unglaublich komplex. Diese Verwirrung führt zu großen Missverständnissen, diese wiederum zu Entfremdung, Streit, Trennung, Trauer und Leid.
Dabei ist alles doch so einfach: Mit ein wenig Wissen, Verständnis und Toleranz kann eine positive Spannung zwischen den Partnern aufrecht erhalten bleiben. Und gerade diese Spannung macht das Zusammenspiel zwischen den Geschlechtern so interessant und hält uns wach.

Ich möchte mit einer Anekdote beginnen:
Da fährt ein Paar über die Autobahn. Sie kommen in die Nähe einer Raststätte und die Frau fragt den Mann, ob er keine Lust auf einen Kaffee habe. Er sagt nein und fährt an der Raststätte vorbei. Sie ist wütend, denn sie hätte gern einen Kaffee getrunken. Daraufhin wird er wütend und wirft ihr vor, dass sie ihn doch nur gefragt habe, ob er einen Kaffee trinken wolle, und er habe keine Lust darauf gehabt. Er wolle so schnell wie möglich nach XY. Verstockt und motzend sitzen sie nun nebeneinander, denn jeder fühlt sich missverstanden.

Was ist geschehen?
Ich möchte hier einmal behaupten, dass das weibliche Denken komplexer ist und das männliche geradliniger, zielgerichteter. Für das weibliche Denken erscheint das männliche Denken simpel, ja oft verbohrt, zumindest unverschämt, denn er akzeptiert anscheinend nicht die Komplexität des Geschehens. Für das männliche Denken erscheint das weibliche unverständlich, verwirrend oder "nicht genug durchdacht". Da, wo der Mann eine für die Frau simple Aussage macht, müsste sie zehn Sätze gebrauchen, denn sie erwartet selbstverständlich, dass der Mann ihre Art zu Denken nachvollziehen kann. Sie kommt meistens nicht auf die Idee, dass er dazu gar nicht in der Lage ist. Und sie vermutet hinter seiner simplen Aussage ihr komplexes Denken. (Das ist aber gar nicht da.) Also wird sie misstrauisch und fühlt sich hintergangen.

Beispiel: Da ist ein echtes "Urweib", die eine Examensarbeit schreiben muss. (Sie ist nicht in der Lage "männlich" zu denken.) Als die Arbeit ein gewisses Stadium erreicht hat, gibt sie ihrem "männlichen" Mann diese zum Lesen. Nach dem Lesen fragt er sie, von was sie ausgeht und welches Ziel sie hat. Sie schaut ihn unverständig an und fällt in Selbstzweifel. Nun müsste er sich mit ihren Selbstzweifeln beschäftigen, doch er erkennt sie nicht, da er noch mit der Examensarbeit beschäftigt ist. Sie kann auf seine Frage nicht eingehen, die Selbstzweifel stehen im Vordergrund. Grollend gehen sie auseinander. Weinend sitzt sie in meiner Therapiestunde und zweifelt an der Tiefe und Wahrhaftigkeit der Beziehung. Er wird natürlich denken, dass man mit ihr über nichts "vernünftig" reden kann.

Ich frage mich, wie oft solche Situationen und Missverständnisse zwischen Paaren vorkommen.

Was wäre die Lösung gewesen?
Er hätte ihren Unverständnis signalisierenden Blick erkennen und sie darauf hin in den Arm nehmen müssen. Dann könnte er sie liebevoll darauf hinweisen, dass sie erst die "Ist-Lage" klären, um von dieser aus zu einem Ziel zu steuern. Danach wäre sie vermutlich innerlich freier für das "männliche" Denken geworden, denn das wird leider in solch einer Arbeit gefordert.
Aber -
Hätte sie sich ernstgenommen gefühlt?
Hätte sie sich nicht bevormundet gefühlt?
Ich hoffe, die Leser sehen die Brisanz, die sich in solchen Situationen verbirgt.

Hintergründe und Ursachen:
Wir vergessen oft, dass die augenblickliche Lebensweise der Geschlechter nur wenige Jahrzehnte alt ist, sich davor jedoch (über Jahrzehntausende) eine strikte Geschlechterrolle eingeprägt hat, die natürlich noch immer unterschwellig nachwirkt. Die Männer gingen nach außen (ins feindliche Leben) und mussten zielgerichtet handeln. Die Frauen mussten das vielschichtige und komplexe Leben im "Inneren" verwalten.
Ich möchte jedem empfehlen, über dieses Phänomen immer wieder nachzusinnen und kleine Kinder unter fünf Jahren daraufhin zu beobachten. Gerade in diesem Stadium tritt der Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Handeln sehr deutlich auf.

Für manche Leser wird diese These etwas simpel erscheinen. Doch unsere Handlungsgrundlagen und Verhaltensmuster beruhen leider überwiegend auf solchen simplen Vorgaben. Wir sind auf dieser Impulsebene wesentlich einfacher "gestrickt", als wir glauben. Unsere anerzogenen Denkweisen suchen immer den komplizierten Weg. Die Wahrheit ist einfacher, als wir glauben können und wollen.

Zum Schluss noch eine kleine Geschichte, die bezeichnend ist:
Meine kleine Tochter war noch keine zwei Jahre alt, mein Sohn gerade fünf. Es war sehr warm. Mein Sohn hatte die Angewohnheit, ständig mit seinen dicken Schuhen herumzulaufen und sollte die Sandalen anziehen. Er weigerte sich. Ich wurde wütend und befahl ihm, endlich die Sandalen zu holen. Meine kleine Tochter flitzte los, holte die Sandalen und brachte sie ihm. Er ignorierte jedoch die Sandalen und verschwand mit den dicken Schuhen an den Füßen im Garten. Sie weinte wütend und bitterlich. Warum? Sie war enttäuscht, dass er ihre Fürsorge missachtete. Ich fragte mich natürlich, ob sich in ihr die spontane, emotionsgeladene Führsorge nicht in einen Machtanspruch verwandelt hatte. Oder, ob nicht in jeder Führsorge, die der Machtanspruch versteckt vorhanden ist!?