Wir Menschen sind stolz auf unsere Freiheit;
Die Freiheit Entscheidungen zu treffen,
die Freiheit zu beurteilen, sich festzulegen oder nicht festzulegen usw.
Wir merken jedoch nicht, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist. Darunter
liegen Prägungen, die jahrzehnte (aus der Erziehung), jahrhunderte (aus
der Gesellschaft) oder gar jahrzehntausende (durch erworbene, ererbte Überlebensstrategien)
alt sind.
In der körperlich/psychischen Ebene liegen die jahrhunderttausendealten
Prägungen von Aggression und Angst, von Sättigung und Gier, vom Zwang
nach Fortpflanzung. Hier liegen die Flucht- und Angriffsprägungen. Sie
kommen aus dem, von der Natur eingepflanzten Drang zu überleben.
Diese Mechanismen, wie ich sie gern nenne, bestimmen in jeder Sekunde unser
Leben und legen, ohne dass wir es merken, die Voraussetzungen für unsere
Entscheidungen fest. Beispiel: Das unterschiedliche Verhalten der Männer
und Frauen auf der Autobahn. Eine Frau entscheidet allein aufgrund dieser Prägungen
beim Überholen anders als ein Mann. Auf der Arbeitsstelle werden täglich
unendlich viele Entscheidungen aus der Spanne Flucht - Angriff heraus gefällt.
Jeder für sich kann dann natürlich die Bewertung der Entscheidung
so zurechtbiegen, dass er davon überzeugt ist, eine freie Entscheidung
getroffen zu haben. Schaut man jedoch genauer hin, so erkennt man, dass darunter
ganz andere Kriterien mitwirkten. Die Voraussetzungen bestimmten die Art die
Entscheidungen.
Aus der psychisch/sozialen Ebene heraus bestimmen uns andere
Mechanismen. Hier hat die Soziologie unendlich viel erforscht. Auf dieser Ebene
werden wir von dem Drang nach einem Zugehörigkeitsgefühl stärker
manipuliert als wir glauben. Es ist wirklich verrückt: Wir sind so stolz
auf unsere Einmaligkeit, auf unsere Individualität und vergleichen uns
ständig mit anderen. Sich mit anderen vergleichen, entsteht aus dem Willen
zur Macht. Nur wenn ich ganz oben stehe, bin ich wertvoll und habe das Recht
meine Gene weiter zu geben, zu überleben, meinen Frieden zu finden. Aber
wir merken nicht, dass wir gerade dann von der Angst besetzt werden, diese Position
wieder zu verlieren. Somit ist der innere Frieden engstens mit der Macht gekoppelt
(Gerade in der Politik oder Wirtschaft ist dies deutlich zu erkennen.).
Beispiel Saddam Hussein: Er hatte sieben Paläste und in jedem Palast wurden
für ihn täglich drei Malzeiten gekocht, keiner wusste, in welchem
Palast er wann erschien. Was war nun bei ihm vorherrschend: die innere Freiheit,
die Angst oder die Macht?
Zu dem Sich-vergleichen gehören die Positionskämpfe in den Firmen
und Kollegien, das Mobbing, die olympischen Spiele oder Weltmeisterschaften,
das Gerede an der Bar usw. .
Zu diesen, aus der Gruppendynamik heraus entstehenden Zwängen, kommen natürlich
noch die individuellen Prägungen der eigenen Kindheitsgeschichte. Doch
so unterschiedlich und individuell sind auch diese nicht. Sie sind entstanden
aus dem Bedürfnis nach Nähe und Distanz, aus dem Bedürfnis nach
Geborgenheit, aus der Stellung in der Geschwisterreihe und der Beachtung und
Achtung, die wir von unseren Eltern und nahen Bezugspersonen erhalten haben
oder nicht erhalten haben. Mehr ist es eigentlich nicht.
Als drittes kommen die Werte hinzu. Sie entstehen in der Begegnung der psychisch/sozialen und mentalen Ebene.
Immer wieder hört man in den Medien von einem Wertewandel. Aber wer macht sich über die Folgen dieses Wandels für sich selbst Gedanken? Wir leben so, als fände der Wertewandel irgendwo statt und hätte nichts mit uns zu tun. Doch wir stecken mitten drin und merken es nicht. Wir urteilen und beurteilen aus diesen sich wandelnden Werten heraus und erkennen diese Voraus-setzungen nicht.
Diese Wertewandlungen gab es schon immer. Sie waren nur nicht so großflächig
und schnell wechselnd. Im Dorf X hatten sich andere Werte ergeben wie im Dorf
Y und da diese Werte sich wiedersprachen, hielten die Bewohner des Dorfes X
nichts von den Bewohnern des Dorfes Y und umgekehrt. Vielleicht entstand daraus
sogar eine jahrzehntelange Fehde und keiner wusste mehr warum.
Das wirkt natürlich auch in Beziehungen: Weil der andere sich nicht so
verhält, wie ich es aus meiner Prägung heraus will, ist er der Böse.
Das setzt voraus: Ich bin gut. Spricht ein dritter ihn nun auf diesen logischen
Schluss an, wird er auf seine Persönlichkeit zurückgeworfen und kommt
in Schwierigkeiten. Er wird sich nun mit seinem "Böse-sein" auseinandersetzen
müssen oder es vehement abwehren.
Wenn ich diese 3 Thematiken, die ich eben kurz charakterisierte überfliege, klingt das ganze sehr negativ oder pessimistisch. Aber das soll es nicht sein! Die Frage entsteht: Wie komme ich aus diesen Determinismen, Gewohnheiten und Mechanismen heraus?
1.Ich muss anerkennen, dass ich geprägter bin, als ich wahrhaben will.
Daraus entwickelt sich mit der Zeit eine Toleranz mir selbst und anderen gegenüber.
Sie sind nicht so böse, wie es für mich den Anschein hat. Sie sind
meistens gefangen in ihren Mechanismen und Werten und merken es nicht. Ist das
nicht bedauernswert?
Erkenne ich mein Gefangensein und mein Handeln aus dem Gefangensein, so kann
ich mir und ihnen schneller verzeihen und trage die "Schuld" und den
Vorwurf der Schuld nicht weiter mit mir herum. Dieses „Sich-schuldig-fühlen“
würde sonst wiederum eine Prägung auf dieser Ebene werden und somit
meine zukünftigen Entscheidungen mitbestimmen.
2. Nun kommt der entscheidende Sprung: In dem Moment, in dem ich erkenne (nicht intellektuell weiß), wie stark die oben aufgezeigten Prägungen mich bestimmen, entsteht in mir eine Instanz, die frei von diesen Prägungen ist. Diese Instanz gilt es zu sehen, zu empfinden, sich daran zu gewöhnen, ihr Wirken in uns wahrzunehmen. Ist dieser Sprung zur Gewohnheit geworden, gilt es, sich mit dieser Instanz zu identifizieren (es ist der Beobachter oder das Gewahrsein in uns).
Das ist die eigentliche Meditationsarbeit und alle Übungen sind Hilfsmittel, um diesen Sprung zu schaffen. Da wir in einer Zeit leben, in der vordergründig das Individuelle im Focus steht, überlasse ich jedem, seine Übungen herauszufinden. Darum habe ich in der Kategorie "Übungen" dieser Webseite so viele Übungen aufgezählt und angeboten.
Zum Schluss dieses Artikels möchte ich die aktuelle Weltlage als Beispiel
nehmen: Präsident Bush legt aus seiner Prägung auf den drei Ebenen
fest, dass es die Achse des Bösen gibt: Irak, Iran, Nordkorea. Da er Mitglied
des auserwählten Volkes ist, gehört er automatisch zum Guten. Daraus
entwickelt sich der logische Schluss, dass alle, die nicht der gleichen Meinung
sind wie er, böse sind und bekämpft werden müssen. Diese simple
Einfachheit liegt in der Sehnsucht des Menschen nach Einfachheit verborgen.
Diese Sehnsucht kann nur aus dem tiefeverborgenen Wissen entstehen, dass Einfachheit
(merke: ein Fach, nicht zwei oder viele Fächer) existiert. Diese Einfachheit
ist aber ganz sicher nicht durch die Methode eines George, dubbel-juhh Bush
zu erreichen.
Doch diese Einfachheit existiert ganz gewiss, sie ist gar nicht simpel und sie
ist zu erreichen. In ihr liegt die eigentliche Freiheit und das Glück.
Nur in ihr.
Vielleicht noch ein Zusatzgedanke: Die Hochreligionen haben seit Jahrhunderten versucht, diesen Schritt anzuregen und sie haben viel erreicht. Doch den entscheidenden Schritt kann nur jeder für sich machen, anders geht es nicht. Hier liegt für mich die Begrenztheit in den Möglichkeiten, die die Religionen haben. Im Christentum liegt das größte Hindernis in der Postulierung der Schuld. Fühlt sich jemand schuldig, gelingt der Sprung nicht. Der Mensch wird zum Bettler. Nur ein König oder Königin ist frei von Schuld. Wir müssen den Mut haben uns als König oder eine Königin zu sehen. Das sind wir letztendlich: Könige oder Königinnen. Erkennen wir dies, gelingt uns auch der Sprung in unsere Würde.