Wie Oben So Unten

Ängste

Es gibt sehr viele Arten von Ängsten und noch ein Vielfaches mehr an Ausprägungen davon. Außerdem gibt es vor allem durch die Forschungen der Psychoanalytiker sehr viele Bücher darüber. Hier möchte ich nur meine nicht objektiv erforschte, sondern subjektiv erfahrene und in der Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten entstandene Sichtweise äußern.

Der Umgang mit den Ängsten fließt wie ein roter Faden durch die gesamte Meditationsarbeit, doch meines Wissens erwähnt dies kein Buch über Meditation. Mein Ziel auf diesen Seiten ist es, die Wandlungsangst von den wichtigsten anderen Ängsten abzugrenzen. Denn die Vermischung dieser verschiedenartigen Ängste macht es oft so schwer, sich auf eine echte Umwandlung einzulassen.

Leben ist fließend, veränderlich, ständig in Bewegung. Das kann man nicht oft genug sagen. Der optimale Ausdruck dieses Fließens ist Freude, Heiterkeit und Humor; somatisch: vom verhaltenen Lächeln bis zum baucherschütterndem homerischen Lachen.
Die Angst steht diesem konträr gegenüber. Sie ist eigentlich schon der Tod, das Enge und Starre, das Gestaute und Erstarrte. Doch dies sind bereits ihre neurotischen Auswirkungen.
Im Vorfeld geschieht etwas völlig anderes:
Durch die Angst werden die Vitalenergien gesammelt und die daraus folgende Wachheit ermöglicht es dem Lebewesen blitzschnell zu entscheiden, ob es angreift oder flüchtet. Die gesammelten Energien werden hierbei im Angriff oder in der Flucht verbraucht. Anschließend ist das Wesen wieder ausgeglichen. Das ist die funktionale naturgegebene Ebene. Ich möchte diese Angst Furcht nennen und sie in den folgenden Seiten ausschließen.

Lange habe ich mir über den Sinn der Angst beim Menschen jenseits der funktionalen Ebene Gedanken gemacht und habe ihr nachgespürt. Ich suchte die positive Bedeutung, die sie in der Evolution einnimmt und kam darauf, dass sie überwiegend ihre Bedeutung in der Erhaltung der Form, also der Schöpfung hat. Ohne Angst keine Evolution, kein Fortschritt. Sie bewahrt das Geformte und Erschaffene davor, seine Form, sein Erschaffensein, leichtfertig aufzugeben. Der Mensch wird durch sie nicht allzu leichtfertig, nicht allzu übermütig. Sie schult das Wachsein, Klarsein und schützt letztendlich vor der Selbstzerstörung. Der Wille zum Leben als Form ist die wichtigste Urkraft. Diese ist in jedes Lebewesen eingepflanzt und wird durch das Prinzip Angst ergänzt. Beide bedingen einander.

Dies sollten wir im Umgang mit unseren täglichen Ängsten stets berücksichtigen. Viele wünschen sich ein Leben ohne Angst, doch das wäre völlig unnatürlich. Wer keine Angst hat, ist krank, denn er hat seine Verbindung zum Leben verloren. Er ignoriert die Quelle des Lebens in sich, denn wie eben ausgeführt, ist diese Quelle mit der Angst verknüpft.
Es geht demnach nicht darum, sich ein Leben ohne Angst zu wünschen und anzustreben, sondern sich auf ein Leben mit der Angst einzustellen.

anzustreben, sondern sich auf ein Leben mit der Angst einzustellen.
Ein weiterer Gedanke kommt hier hinzu. Wir müssen täglich eine Unmenge an Entscheidungen fällen. Diese Entscheidungen werden durch Ängste beeinflusst. Viele Menschen helfen sich, indem sie die Entscheidungen trotz der Ängste treffen. Habe ich diese Einstellung, so bleibe ich kindlich oder werde sogar kindisch, denn der Trotz verfälscht mein Urteilsvermögen. Es geht darum, Entscheidungen mit der Angst zu treffen. Dann hilft mir die Angst, Situationen wacher und schärfer zu erfassen und somit klarer, geklärter, die jeweilige Entscheidung zu fällen.

Essenz:

Nehme ich die Angst als naturgegebenes Prinzip an, verliert sie automatisch ihre erstarrende, todesähnliche Qualität. Sie bereichert meinen mir zur Verfügung stehenden Lebenswillen und vertieft somit den Lebenssinn. Ich lebe ohne Angst vor der Angst. Dadurch wird die Lebensqualität erweitert und nicht eingeengt. Auch hier, wie so oft, kommt es auf die persönliche Einstellung oder Sichtweise an.

Auf den folgenden Seiten möchte ich mich mit drei Erscheinungsformen der Angst auseinander setzen:

1. Die Wandlungsangst
Sie ist die fundamentalste Angst. Ihr begegnen wir auch evolutionär mehrmals im Laufe des Lebens. Sie ist die entscheidende Angst bei Meditierenden.

2. Die existentielle Angst
Sie ist die "gesunde" und natürliche Angst.

3. Die neurotische Angst
Mit ihr kann man nicht im oben beschriebenen Sinn leben. Sie verstellt stets den Blick auf die reale Situation. Sie ist leider für unser Alltagsleben das prägendste und Verwirrung stiftendste Element.