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Das „Ich bin“

Während einer Supervisionsstunde mit Meditationslehrern fiel mir von neuem eklatant auf, dass eine entscheidende Komponente immer wieder verloren geht: Das Vertrauen in das "Ich bin" und in die Wirkung, die dieses "Ich bin" in den anderen Menschen hervorruft.

Nach einigen Jahren des intensiven Übens ist die Ebene des "Ich bin" herangereift und sie wirkt, auch wenn wir sie im entsprechenden Augenblick nicht wahrnehmen. Natürlich sollte es "ein Ziel" sein, dass wir im Alltag so viel wie möglich in dieser Ebene leben, doch es ist unmöglich, permanent in ihr zu verharren. Genau das ist doch die Schwierigkeit bei unserem "gespaltenen" Leben: Außen sein zu müssen und innen sein zu wollen. Ich muss und werde es immer wieder auf diesen Webseiten betonen: Dieses "Ich bin" ist die Grenze zwischen Innen und Außen und - es ist unser eigentliches Mensch-Sein. Ist es durch die Auseinandersetzung mit sich selbst (durch ernsthafte Meditationsarbeit), wach geworden, so lebt und wirkt es, auch wenn wir subjektiv durch das Außen gebunden sind. Entwickeln wir Vertrauen in diese Sicht, so wandern wir als Bewusstseinswesen allein durch unser Vertrauen immer wieder in dieses "Ich bin" hinein und wir leben in der Geborgenheit des Selbst-Vertrauens.

Da Bilder mehr aussagen, als theoretische Erwägungen, hier ein Beispiel:

- Da kommt jemand zu mir, der schon lange und ernsthaft meditiert hat, und sagt, dass er einen neuen Kick braucht, dass er das Gefühl habe, auf der Stelle zu treten. Das ist natürlich bei vielen so. Das bringt das Berufs- und Alltagsleben mit sich.

Nun kommt aber der entscheidende Punkt:
Er habe sich schon vorher überlegt, was ich sagen werde. Dann stellte er seine Fragen. Ich antwortete. Danach kam er nicht wieder.
Was war geschehen?
Er kam als mentales Wesen, hatte alles schon mental sortiert und hörte nur auf meine Worte. So hörte er natürlich nur auf das, was er "prüfend" hören wollte. Er begegnete mir nicht als Mensch und schon gar nicht "meinem" "Ich bin".
Er hatte wahrscheinlich Angst in seinem So-Sein erschüttert zu werden und hatte sich durch seine Flucht in das Mentale vor der Erschütterung gewappnet.
Das ist freilich aus meiner Sicht schade, aber in solchen Fällen ist der Meditationslehrer machtlos.
Spekulativ gedacht: Nach dem Gespräch war er wahrscheinlich erleichtert, sich auf die erahnten Schwierigkeiten, die durch die anstehende Veränderung stattfinden würde, nicht einlassen zu müssen. Er hatte den Meditationslehrer degradiert, um sein Ego zu retten!

Viele, die eine Gruppe planen, lassen sich von ihrem intellektuellen "Nicht-Wissen" blockieren. Sie betrachten aus dieser Sicht ängstlich ihr Tun. Erst wenn man sich darauf verlässt, nichts zu wissen (intellektuell), kann das eigentliche Wissen aufleuchten (siehe den Artikel „Erkenntnis“). Dann geht es nur noch darum, sich diesem Nichtwissen zu übergeben, ja, regelrecht auszuliefern.

Es kommt doch letztendlich nicht darauf an, was man sagt. Es geht um das, was mit dem Sagen transportiert wird: Dieses "Ich bin" ist für mich die dritte Kommunikationsebene.

Die erste Ebene: "Schönes Wetter heute!", sagt man zum Nachbarn.
Man spricht diese Worte doch nur um die zweite Ebene zu aktivieren: Ich bin dir nicht böse. Ich sehe Dich. Oder: Obwohl wir gestern Streit hatten, bin ich wieder zu einem menschlichen Kontakt bereit.
Selbst die dritte Ebene ist dabei oft aktiv: Die anderen Menschen fühlen sich in eurer Gegenwart wohl. Sie öffnen sich und erzählen von sich und ihren Problemen mit einer Selbstverständlichkeit, als hättet ihr mit ihnen die Schulbank gedrückt.
Nicht das, was ihr sagt, hilft ihnen, sondern wie ihr es sagt (zweite Ebene) und, um vieles entscheidender, dass IHR es aus eurem "Ich bin" heraus sagt. (dritte Ebene). Dies ist die Ebene des Ich-Du von Martin Buber - und mehr -.

Der Satz von Sokrates bekommt nämlich hier eine entscheidende Bedeutung:
"Ich weiß, dass ich nichts weiß."
In diesem Wissen liegt die eigentliche Wirkung, die er über die letzten zwei Jahrtausende auf unsere Kultur ausgeübt hat.
Meine Webseiten haben nur das Ziel, euch zu helfen, zu erkennen, dass ihr zumindest ahnt, dass ihr nichts zu Wissen braucht, um das Wissen durch euch hindurch klingen zu lassen.

Noch ein Hinweis zum Schluss:
Entscheidend für die, die eine Gruppe leiten möchten, ist der innere Drang, dies tun zu wollen oder gar zu müssen. Dieser Drang kommt aus dem Ich bin und diesem gilt es zu gehorchen. Dann dürften keine echten Zweifel auftreten!!! Dass Ängste auftreten, ist normal. Die zählen nicht.