(Text vom 12. 4. 2005)
Ich möchte mit einer Grundaussage beginnen:
Die einzige, wirklich objektive Gefahr in der Meditation besteht darin, dass die durch die Meditation frei werdenden
Energien den mentalen und/oder emotionalen Zustand des Menschen verstärken und so sein Denken und seine Gefühle „überhitzen“.
Ich bekomme immer wieder E-mails, in denen von Schwierigkeiten durch Meditation berichtet wird. Die Ursache liegt
jedoch nicht in den Übungen, die diese Menschen durchgeführt haben sondern in der Unwissenheit über
das „Ergebnis“, das durch meditative Methoden entstehen kann. Wendet man diese Methoden mit der
Einstellung „Mir soll es durch Meditation besser gehen“ an, sind die Probleme vorprogrammiert. Darauf möchte
ich im Folgenden eingehen:
Es herrscht in unserer Kultur eine absolute Unwissenheit über die transpersonalen Energien. Wir sind in Folge
der Aufklärung im rationalen Denken verhaftet und durch den Glauben an die moderne Forschung einseitig
gebildet, so dass wir mittlerweile in den Genen und Gehirnaktivitäten die Grundlage unseres Seins suchen. Dass
dahinter noch andere Kräfte vorhanden sind und wirken, die wir nur subjektiv erfahren können, wird nicht
gesehen oder gar als absurd betrachtet. Sobald wir mit einer echten inneren Einstellung zu üben beginnen, müssen
wir uns an eine neue Sichtweise heranwagen und dieses für uns noch Unbekannte einkalkulieren.
Doch zum Glück sind diese Kräfte gänzlich neutral. Erst die Neurosen unserer Persönlichkeit
machen sie gefährlich. Für die neurotischen Anteile unserer Persönlichkeit liegen allerdings konkrete
Gefahren in den meditativen Übungen (s. auch mein Artikel über Neurosen in "Persönlichkeit").
Gerade in persönlichen Krisensituationen sind die Menschen innerlich offen für diese normalerweise unterdrückten Energien. Ein Satz wie: "Diese oder jene Situation wühlt mich immer auf!", ist dafür bezeichnend. Das innere Aufgewühltsein öffnet uns dann gegenüber diesen Energien, und sie fließen in die Persönlichkeit ein. Der Persönlichkeit stehen dann zwar größere Kräfte zur Verfügung, doch starrt der Mensch weiter auf seine neurotischen Schwierigkeiten und sieht nicht die gewonnene Stärkung, steigern sich die Ängste, denn alte Verdrängungen werden weggeschwemmt.
Anders ausgedrückt: Ist die Alltagspersönlichkeit instabil, können diese Energien der transpersonalen
Ebene in sie eindringen. Sie überschwemmen dann die emotionale Ebene. Die Emotionen werden noch stärker
aufgewühlt, und dies verwirrt uns zusätzlich. Gerade dieser wichtige Grundsatz wird in Büchern über
Meditation so gut wie nicht thematisiert.
Dringen die Energien wie ein Sturm in die mentale Ebene, wird auch das realistische und logische Denken, als
Grundlage der Alltagsbewältigung, schwierig. Die eigenen Vorstellungen greifen sich dann die aufgewühlten
und verstärkten Ebenen des Denkens und der Emotionen und machen unser Dilemma perfekt.
Resultat:
Die Lösung liegt in der Sichtweise. Wir müssen immer bereit sein, die Struktur unserer Alltagspersönlichkeit
in Frage zu stellen. Wir können nicht gleichzeitig die Alten bleiben und etwas Neues hinzubekommen. Die Ängste
entstehen, da wir nicht wissen, wer wir nach den einfließenden oder schießenden Energien sein
werden.
Doch wir müssen immer daran denken: Diese Energien sind absolut neutral. Das entstehende Dilemma produzieren
wir durch unsere Unwissenheit über deren Wirkung auf die neurotischen Anteile in uns.
So gehört zu meiner Standardunterweisung für Menschen in innerer Not immer zweierlei:
Erstens schlage ich ihnen vor, bestimmte Übungen zum Erden zu machen (s. erste und zweite CD
unter „Erden“ auf dieser Website). Dadurch werden die frei werdenden Energien zu unserer inneren "Erde"
hin abgeleitet. Sie überschwemmen dann nicht unsere emotionale und mentale Ebene, stehen uns aber als neutrale
Kraft stets zur Verfügung.
Zweitens rate ich, die inneren Regungen und Bewegungen (Ängste, Wut, usw.), die sich in
unserer Persönlichkeit zeigen, möglichst nur wahrzunehmen und ihnen in unserem Inneren Raum zu geben. Auf
keinen Fall dürfen wir sie bekämpfen oder gar vor ihnen flüchten. So verwandeln sich die zusätzlichen
Energien nicht in gestaltete Formen wie übermäßige Wut oder Angst sondern stehen dem Menschen weiter
als Kraft zur Verfügung.
Letzteres ist natürlich für unerfahrene Menschen sehr fremd und schwierig. Daher benötigen sie
meistens Begleitung durch einen erfahrenen Meditationslehrer oder Therapeuten.
Unsere von der Natur geschenkte Möglichkeit, Unangenehmes oder Unbekanntes zu verdrängen, ist eine
sinnvolle Einrichtung der Natur, unser momentanes Leben möglichst störungsfrei zu leben. Doch wollen wir
durch Meditation zur Erkenntnis dessen kommen, wer und was wir wirklich sind, müssen wir bereit und gewahr
sein, dass sich die Barrieren der Verdrängung mit der Zeit lösen. So müssen wir lernen, mit den
aufkeimenden Erkenntnissen und Bildern aus unserer Vergangenheit umzugehen. Je mehr wir dies regelrecht trainieren,
umso leichter und schneller geschieht diese Befreiung.
Dazu ist es unbedingt nötig, dass wir nicht in Versuchung kommen, einen neuen mentalen Überbau zu suchen.
Gerade das ist mir negativ bei einigen Meditationslehrern des Ostens aufgefallen: Sie fordern von ihren Schülern,
die eigenen kulturell bedingten Systeme zu verleugnen und die Lehren des Meisters zu erlernen und anzunehmen. Doch
gerade dieser nun beginnende Vorgang fördert unsere Verdrängung, aber löst sie nicht auf. Wir müssen
immer bedenken, dass wir diese fremden Systeme nicht in der Tiefe aufnehmen können, da wir einen völlig
anderen kulturellen Hintergrund haben, der tief in uns verwurzelt ist. Ohne uns dessen bewusst zu sein, sind wir
Westler z. B. mit dem Christentum identifiziert, auch wenn wir die Amtskirche ablehnen.
So spalten wir uns unbemerkt in zwei Grundpersönlichkeiten: Die Persönlichkeit, die ihre
gesellschaftlich-christlichen Werte "mit der Muttermilch" eingesogen hat und die Persönlichkeit, die
sich das Neue als Lösung einverleiben möchte. Das Ergebnis - und das habe ich bei vielen Menschen
beobachtet - ist ein Fanatismus dem Neuen gegenüber und eine tiefe Ablehnung dem Alten gegenüber (in dem
Fall: Christentum). Aber gerade dieser Fanatismus ist ein extrem starker Verdrängungsmechanismus. So "verkopfen"
die Menschen und versperren sich der jedem Wesen innewohnenden Weisheits- oder Erkenntnisebene.
Übrigens: Aus diesem Grunde stehe ich innerlich dem Taoismus sehr nahe. Denn dieser lässt alle
Personifizierungen außen vor und beschränkt sich auf Bilder, die den aufkeimenden inneren Erlebnissen
sehr nahe kommen (z. B. die goldene Blüte).
Ich sehe vor allem zweierlei Gefahren beim Schmelzen der Verdrängungen:
1. Die verdrängten, schmerzhaften, persönlichen Erfahrungen aus der eigenen Vergangenheit werden wach,
doch wir haben nicht gelernt, mit ihnen umzugehen. Rat: Dann wäre eine Therapie notwendig.
2. Aufgepfropfte Ideologien und Weltbilder, bzw. Menschenbilder.
Erst wenn wir versuchen, jegliche Ideologie in den Hintergrund treten zu lassen, kommen wir mit der inneren
Umwandlung auf ganz natürliche Weise in Kontakt, und sie kann sich Schritt für Schritt integrieren. Dieser
entscheidende Integrationsvorgang verläuft dann von uns unbemerkt. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir
von unserer Wahrnehmung her nur auf das, was sich in unserem Inneren wirklich zeigt, achten. Wir dürfen demnach
nie auf ein Ziel hin orientiert sein (z. B. Erleuchtung anstreben). Diese Appell ist schwieriger zu erfüllen,
als viele Menschen, die mit dem Meditieren beginnen, glauben werden.
Nach meiner Erfahrung geht der Weg am sichersten und organischsten über den Körper/Leibbereich. Das immer wachere Empfindungsbewusstsein hilft uns dann, die sich auflösenden Verdrängungen und die daraufhin aufgewühlten emotionalen oder mentalen Energien nicht zu übermächtig werden zu lassen. Uns werden die freiwerdenden und einfließenden Energien bewusster: Unsere Sicht hat sich dadurch entscheidend geändert und dadurch unsere ganze Persönlichkeit.
(Siehe auch den Artikel Beobachter und Kommentator auf dieser Website.)