Wie Oben So Unten

Eine etwas sarkastische Liebes-Erklärung!

Es gibt geschlossene Systeme und offene Systeme. So ist ein faradayscher Käfig ein geschlossenes System. Fast alle Objekte des Universums sind offene Systeme, so auch die Galaxien und die Erde. Aber auch jedes biologische Wesen ist ein offenes System. Jedes offene System ist immer in einem totalen Austausch mit seiner Umgebung. Alle Lebewesen dieser Erde, von den Einzellern bis zu den Menschenaffen, leben als offene Systeme, ohne wenn und aber.
Auch der Mensch ist ein offenes System: Er isst und trinkt, geht auf die Toilette, er liebt Berührungen, lechzt nach Berührungen - oder lehnt sie ab. Er genießt die spärlichen Sonnenstrahlen oder stöhnt über die Hitze. Er sammelt Informationen oder drückt sich kreativ in der einen oder anderen Form aus. Er hört anderen zu oder teilt sich anderen mit. Er ist traurig, wenn er verlassen wird oder voller Wut, wenn er bedrängt wird.

Kurz: Auf allen seinen Ebenen -körperlich, psychisch, mental- lebt er als offenes System. Seine gesamten Bedürfnisse haben ihre Ursachen im offenen System. Wäre er ein geschlossenes System, hätte er keine Bedürfnisse.

Ein offenes System kann man auf drei Grundhandlungen reduzieren: empfangen - verarbeiten - senden.

Wesen, die sich auf diese Grundhandlungen beziehen und daraus leben, haben zwar Probleme, wenn die Voraussetzung zum Stillen der Grundbedürfnisse nicht zur Verfügung stehen, sie machen sich aber keine Probleme.
In diesem Sprung vom Haben zum Machen liegt die gesamte Problematik des Menschseins. Mit diesem Sprung gilt es, sich auseinander zu setzen. Ihn gilt es zu erfassen, zu erkennen und als das eigentliche menschliche Problem zu sehen. Diesen Prozess des Erkennens nenne ich "Änderung der Sicht".

Aber warum ist dies so schwer? Warum fallen wir ständig in die Hexenküche des "sich Probleme Machens" hinein? Ich denke, an diesem Schnittpunkt liegt die Vertreibung aus dem Paradies. An diesem Schnittpunkt wurde der freie Wille, die Fähigkeit der Erkenntnis, das Menschsein an sich etabliert. Die Krux dabei ist, dass der Mensch diesen ungeheuren Sprung falsch interpretiert hat. Er lief einfach in die falsche Richtung. Er lebte weiter als Tier in dem System "empfangen – verarbeiten (machen) - senden", vertauschte aber das Verarbeiten mit dem Besitzen: mit Machtbesitzen, mit Dingebesitzen, mit Vorratbesitzen, mit Wissenbesitzen, mit Wertebesitzen. Seitdem lebt er in der Angst, dieses Besitzen zu verlieren und somit wieder nackt da zu stehen. Ohne Besitz ist er nichts, ein Nichts. Das nenne ich falsche Sicht.

Was ist aber dann die richtige Sicht?
Dazu erst einmal ein Exkurs:
Ich begann diesen Artikel gegen 5.00 Uhr morgens zu schreiben, ich veränderte, verbesserte und ergänzte. Langsam kam ich in Fahrt. Ich war tief in der Meditation. Um 6.15 Uhr kam mein achtjähriger Sohn aus seinem Zimmer, setzte sich auf meinen Schoß und weinte bitterlich. Was war geschehen? Der Bruder seines Freundes hatte vor zwei Tagen Geburtstag und zu diesem Anlass eine Polizeistation der Firma Match-box erhalten. Mein Sohn:" Die ist einen halben Kilometer groß." Jetzt war er zum x-ten Male traurig, dass er solch eine Polizeistation nicht besaß. Ich tröstete ihn. Wir sprachen über Alternativen: Ferngesteuertes Schiff zu Weihnachten. Ärgerlicher Kommentar: "Alles zu Weihnachten." Schließlich war er für den Augenblick getröstet und ich setzte mich wieder an diesen Artikel und schrieb ihn bis zu dem Punkt "richtige Sicht" weiter.

Warum erzähle ich dies? Weil hier die zentrale Frage der "Meditation im Alltag" sichtbar werden kann.
Hätte ich mich über die Unterbrechung geärgert, wäre dieser Artikel vom "Machen" zum "Haben (Besitz)" gewechselt. Der Ärger hätte es mir nicht erlaubt, nach der Tröstung des Sohnes weiterzuschreiben. Ich wäre ganz sicher nicht mehr in das "Empfangen - Verarbeiten - Senden" hinein gekommen. Ich hätte radikal die Ebene meines Seins (als Bewusstsein) gewechselt.

Wer jetzt daraus schließt, er dürfe sich nicht mehr ärgern, liegt falsch. Ich brauchte mich in diesem Falle nicht zu ärgern. Hätte ich mich über die Unterbrechung geärgert und dazu war ja genug Anlass vorhanden (sich morgens um 6.15 mit einer blöden Polizeistation und einem heulenden Kind zu beschäftigen ist ja wohl Grund genug, so wäre es darauf angekommen, ob ich wenigstens auf der Ebene geblieben wäre, in der ich den Ärger als energetischen Aufruhr in mir wahrnehmen konnte. In diesem Falle hätte ich danach auf der gleichen Ebene wie vorher weiter schreiben können. Erst wenn ich auch aus dieser Ebene herausgerutscht wäre, hätte sich der Ärger meiner Vorstellungsebene bedient und sich zerstörend festgesetzt. Dann wäre ein weiteres Schreiben auf dieser Ebene unmöglich geworden. Ich hätte in diesem Falle schon auf der intellektuellen Ebene weiterschreiben können, doch die befriedigt mich nicht.

Was ist also die richtige Sicht?

1. Sie kann nicht gemacht werden. Sie beginnt erst, wenn wir uns aus der Vorstellungswelt verabschiedet haben.

2. Vorraussetzung ist, dass wir auf der Ebene des Bewegtseins (das ist wörtlich zu nehmen), angekommen sind.

3. Identifizieren wir uns mit der Ebene -2-, und beginnen wir sie wahrzunehmen, wandern wir (als Bewusstsein) automatisch irgendwann auf die Ebene des Seins, des Gewahrseins. Hier werden nun Kräfte frei, stehen "uns" Kräfte zur Verfügung, die ungeheuer sind. Nun beginnt die eigentliche Phase der Meditation. Unsere Persönlichkeit (1 und 2) muss sich an diese Kräfte gewöhnen. Dies ist ein langer beschwerlicher Prozess. Gerade jetzt erst wird der Meditationslehrer oder Meister absolut wichtig, denn diese Kräfte sind Aus-druck der allumfassenden Liebe und diese ist uns völlig fremd und somit für uns mit Angst besetzt.

Was aber ist dabei die Liebe?
Das Gewahrsein ist die Liebe. Im Gewahrsein ist das Empfangen - Verarbeiten - Senden eins geworden. Das Gewahrsein ist noch im Sein und gleichzeitig außerhalb.
Es ist das, was die Griechen Agape nannten.
Es schließt Kopf, Herz und Genital zu einer Einheit zusammen. Dann gibt es nicht mehr den reinen Sex (Genital) ohne Erotik (Herz) und Verschmelzung (Agape). Wobei das Wort Verschmelzung auch mit totaler Offenheit oder Einheit übersetzt werden könnte. Konkret meine ich hier den "Ganzkörperorgasmus" ohne die "besinnungslose" Eruption.

Freier übersetzt heißt das:
Es ist die Freude, die leider nur in seltenen Momenten in unserem Leben, mit enormer Energie aus dem Becken aufsteigend, uns zu übermannen "droht". Nur wenn wir dann im Gewahrsein sind, können wir diese Freude als Kraft in uns wirken "sehen" und aushalten.
(Siehe A)

Mit diesen Graphiken möchte ich nur darauf hinweisen, dass die eigentliche Liebe immer da ist und dass es auf den Zustand des Arbeitsspeichers, auf unseren inneren Zustand ankommt, ob und wie sie wahrgenommen werden kann.