Hier sollen einige Mechanismen unserer Persönlichkeit vorgestellt werden, die unser Dasein stärker bestimmen, als wir uns eingestehen wollen. Es lohnt sich darüber nachzudenken.
I. Vordergrund - Hintergrund aus der Sicht der Gestalttherapie:
Da fährt ein Autofahrer an einer Polizeistreife vorbei. Er wird geblitzt,
weis aber genau, dass er nicht zu schnell gefahren ist. Um die Polizisten zu
ärgern, fährt er noch zwei mal an ihnen vorbei. Dann wird er angehalten
und bekommt eine saftige Bestrafung.
Was ist geschehen: Für ihn stand die Geschwindigkeit im Vordergrund. Alles
andere blieb im Hintergrund. Er war so stark darauf fixiert, dass er nichts
anderes beachtete.
Für die Polizisten stand im Vordergrund, dass er keinen Gurt anhatte und
dafür erhielt er dann die Bestrafung.
Auf die Schule übertragen bedeutet das: Wir müssen viel stärker einkalkulieren, dass für jeden Menschen etwas anderes im Vordergrund steht. Also für Kinder etwas anderes als für den Lehrer. Hier liegt das Hauptkriterium für die Schwierigkeiten des Lehrerberufes. Würden die Lehrer das mehr akzeptieren, fühlte sich das Kind erkannt und würde sich flexibler auf unsere Bemühung einlassen können. Es bliebe lebendig und kreativ.
II. Mechanismen und Identifikation
Da ist ein Pärchen, das sich liebt und erst kurz verheiratet ist. Plötzlich
haben beide starke Probleme, die von außen an jeden Einzelnen herangetragen
werden. Daraus entwickelt sich eine ganz starke Paarproblematik.
Warum?
Die Paarproblematik hätte sich nicht entwickelt, wenn nur einer von ihnen
ein Problem bekommen hätte, dann hätte der andere stützend eingreifen
können. Da nun beide gleichzeitig ihre Probleme angehen müssen, kommt
die Beziehung in Gefahr:
Die beiden sind sehr unterschiedlich.
Er verarbeitet seine Problematiken im Innern und kapselt sich dann von seiner
Umgebung ab.
Sie verarbeitet ihre Problematiken, in dem sie tausend Freundinnen anruft und
stundenlange Gespräche führt.
Nun kann keiner unterstützend für den anderen eintreten.
Jeder ist auf Grund seiner speziellen Mechanismen ein Feind des anderen geworden.
Das was sie bisher verbunden hat: Ihre Unterschiedlichkeit, trennt sie nun extrem.
Sie will mit ihm über ihre Probleme reden - intensiv. Er ist nicht fähig
dazu.
Er braucht seine Abgrenzung als Schutzwall und fühlt sich von ihr bedroht.
Sie fühlt sich völlig allein gelassen.
Auf die Schule übertragen bedeutet das: Ich muss erkennen und anerkennen, das meine Vorgehensweisen Prägungen aus meiner Kindheit sind und dass auch jedes Kind eine andere Prägung hat. Erkenne ich dies an, fühle ich mich von den Kindern nicht mehr in meinem Sosein bedroht. Sie sind nicht mehr meine Feinde.
III. Leben ist Bewegung
Lernen in Bewegung
Beispiel Lara und das Zählen
Lara ist meine noch nicht dreijährige Tochter. Sie sprang auf einem Trambolin
herum und zählte ständig von 1 - 11, jeweils ohne Fehler. Ich war
so überrascht, dass ich es meiner Frau erzählte. Als meine Frau Lara
aufforderte zu zählen, zählte sie 5-6-7-4, dann war Ende. Sie konnte
nicht mehr weiter. Als ich sie aufforderte, durch den Raum zu tanzen, zählte
sie wieder fehlerfrei von 1 - 11.
Es ist so schade, dass viele Lehrer diese Selbstverständlichkeit außeracht
lassen.
IV. Kontrolle und disziplinieren ist alles
Da ist ein kleiner Junge, der jetzt in die Schule gekommen ist. Er ist ohne
Druck aufgewachsen. Zum Glück war er in einem Kindergarten, in dem er sich
frei entfalten konnte. Leistungsanforderungen wurden nicht an ihn gestellt.
Da er an vielem sehr interessiert ist, wurde er unterstütz, wenn er Fragen
stellte. So interessiert er sich schon eineinhalb Jahre vor Schulbeginn für
Matheaufgaben. Z. B. wie viel ist 3 mal 4. Es wurde erklärt und auf vielen
Autofahrten rechnete so lange er wollte. Er war recht fix darin, denn er erfasste
das Zahlensystem intuitiv.
Nun bekam er eine nette, sehr engagierte Lehrerin, die viel Verständnis
und sehr eifrig ist. Auf der anderen Seite ist sie sehr rigide. Die Kinder mussten
sich z. B.sehr schnell daran gewöhnen, nur in der Pause auf die Toilette
zu gehen.
Der Erfolg war, dass der kleine Junge in der Schule sehr unruhig wurde, die
Klasse störte, und nach einem halben Jahr Schule nicht mehr 3 mal 4 rechnen
kann. Er benutzt die Finger beim Rechnen, was er vorher nie getan hat. Er hat
z. B. nie geweint, es sei denn, er hatte sich weh getan. Nun weint er mindestens
zwei mal die Woche fürchterlich und herzzerreißend wegen Kleinigkeiten.
Zum Glück für ihn, erkennen die Eltern sein Dilemma und können
ihn dann trösten und auffangen. Doch wie viele Eltern setzen dann den Druck
noch fort, da sie den Anlass des Weinens wirklich nicht nachvollziehen können?
Dann würde die Lehrerin sich ihr verhaltensauffälliges Kind heranziehen,
unter dem sie selbst leiden würde.
Aus meiner mehr als 20 jährigen Erfahrung als Supervisor für Lehrer
weis ich, dass das öfter geschieht als wir denken. Die Lehrerin denkt von
ihrer Methode her und nicht vom Kind her.
Seit einer Woche ist die Lehrerin krank. Die neue Lehrerin scheint ganz anders
zu sein. Schon am ersten Tag, kam der Junge wesentlich entspannter aus der Schule
und bot seiner Mutter seine Hilfe beim Tragen der eingekauften Sachen an. Seine
soziale Komponente war frei geworden. Andere Eltern berichten von ihren Kindern
das gleiche. Die eigentliche Lehrerin, die sehr Verantwortungsbewusst ist und
die Kinder mag, "scheitert" an ihren eigenen Ansprüchen, erzeugt
bei sich und den Kindern einen enormen Stress und leidet wiederum unter diesem
Stress. Das Schlimme ist, sie merkt es selbst nicht.
Hier zu noch folgendes Beispiel:
V. Ein extremes Beispiel aus meiner Erfahrung als Supervisor
Eine lebendige, sehr engagierte Referendarin arbeitet zur Freude ihrer Mentorin
so gut in der Klasse, dass die Schule alles unternimmt, um diese Referendarin
als fertige Lehrerin an ihre Schule zu bekommen. Das gelingt auch. Diese Referendarin
bekommt als Klassenlehrerin die Klasse in der sie Referendarin war. Sie ist
kaum 14 Tage Lehrerin und bricht mit einem sehr schlimmen Nervenzusammenbruch
zusammen. Wochenlang ist sie danach nicht arbeitsfähig.
Was ist geschehen? Sie kam mit der Verantwortung nicht zurecht. Als Referendarin
konnte sie frei agieren, hatte aber keine Verantwortung für das Gesamtbild
der Klasse. Die einzige Veränderung, die nun kam, war die Verantwortung.
So ist sie nicht an den Kindern gescheitert, sondern an ihrer Einstellung zu
ihrem eigenen Verantwortungsbewusstsein dem mangelnden Vertrauen in die Selbstregulierung
von Gruppen und einzelnen Persönlichkeiten.