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Der Ton als Hier und im Jetzt

15. 5. 05

1. Das Wort ist die menschliche Modulation des Tons.

Der Ton als Raum

Die Modulation unserer Sprache baut auf den Vokalen auf. Sie sind Aus(heraus)druck des Tones als innerer Raum in den äußeren Raum. Die Konsonanten begrenzen, formen, gestalten diesen durch die Vokale entstehenden Raum. So bilden die unterschiedlichen Vokale auch unterschiedliche Räume.

Jeder Mensch baut zudem mit der Qualität seiner Aussprache seinen eigenen Raum im kosmisch-absoluten Raum. Diese Qualität kann tief, voll, umgreifend, wohl-tönend, be-ruhigend, tragend usw. sein, aber auch einengend, zerstörend, spitz, scharf, hackend usw. Also heilend oder krankmachend.

Der Ausdruck dieser tönenden Qualität beschränkt sich jedoch nicht nur auf das eigene Sein, sondern beeinflusst den (fließt hin zu) anderen.

So kann der Therapeut allein durch sein Sein als Stimme eine heilende oder zerstörende Atmosphäre schaffen. Wichtig ist dabei, dass man diese wohl- und/oder volltönende Stimme nicht als Technik erlernen kann, dann käme sie als Lüge oder zumindest als Unwahrheit "rüber". Bei geschulten Politikern fällt das oft negativ auf. Allerdings lassen sich auch viele Menschen davon blenden.

Man ist die Stimme, die erklingt, so wie man die Geste, die Körperhaltung oder der Gang ist.

Der Ton in Situationen / im Jetzt

Jede Situation erzeugt passiv (aus der Art meines Eingehens auf die Situation: aktiv) die Modulation des Tons meiner Stimme.

Die Achtsamkeit sollte also mehr auf das eigene Eingehen auf Situationen gerichtet sein und erst sekundär die Situation beachten. So werde ich durch die Situationen nicht beherrscht, sondern behalte den für mich im Augenblick optimalen Raum, der sich dann als Ton/Schwingung meines Seins mit Hilfe der Kehle in die Situation ausbreitet und die Situation sehr stark mitbestimmt (so wie ein Musiker den Klang des Orchesters mit Hilfe seines Instrumentes mitbestimmt).

Hier von "Jetzt" zu sprechen, fände ich nicht richtig, denn „jetzt“ steht in Abgrenzung zu eben, vergangen, bald oder danach und die Stimme bzw. der Ton klingt nur während sie klingt, danach ist sie verklungen. So klingt die Stimme im absoluten Jetzt.

Das klingt etwas haarspalterisch, ist aber für das, was ich mitteilen möchte, entscheidend, denn meine Wahrnehmung bleibt damit im ewigen Augenblick. Nur der Raum als Klang oder der Klang als Raum wirkt.

Für die Praxis heißt dies, ich selbst als ganzes Selbst – von den Haaren bis zur Zehenspitze – muss mich als Instrument einstimmen, eine Stimme werden, die sich dann als Ton der Kehle, als Gestik meiner Bewegungen, als Mimik meines Gesichts überein-stimmend ausdrückt.

In Kon-takt sein

Das eben Gesagte kann nur von meinem feinstofflichen Leib (nicht Körper) als Resonanzboden empfangen werden. Das Ohr ist hierbei nur sekundär beteiligt.

Der Kontakt

Heben wir das eben Gesagte auf die Ebene des Kontaktes, so fällt mir Folgendes ein:

Im Kontakt (Kon = mit, takt = Rhythmus) geht es darum, eine gemeinsame Schwingung (einen gemeinsamen Rhythmus) zu finden. Es erfordert viel Wachsein und Inter - esse in oder an der Situation. Denn nur so kann ich bei mir sein, beim anderen sein und gleichzeitig im Zwischenraum sein. Absolute Präsenz ist hierbei erforderlich.

Da jedoch jeder einen anderen Takt hat, benötigt der Therapeut eine große innere Freiheit. Freiheit heißt aber in diesem Kontext inneren Raum haben, möglichst wenig Anstößiges, wenig zum An-stoßen haben, was dann ins Rollen kommen könnte und ich als Therapeut meiner eigenen Lawine erliege. Auf jeden Fall sollte man den Stein des Anstoßes - verdrängte Komplexe - kennen.

Wenn beide durch den Kontakt im gleichen Takt schwingen, ist ein riesiger Schritt zum Heilsein getan worden - beim Klienten und beim Therapeuten. Nach dieser gemeinsamen Schwingung sehnt sich jeder Mensch von Kindesbeinen an. Die Feinste vom Menschen erreichbare Schwingung ist die Liebe im Sinne von Eros.

Im Ich und Du ist also die Zeit aufgehoben. Es existiert nur noch Raum, dichter Raum. Je dichter die Atmosphäre um so weniger pfuscht die Zeit mit ihrem "da war doch noch etwas; da ist noch etwas; da wird noch etwas sein" dazwischen. Dies würde dann zerstörerisch wirken und somit die Atmosphäre abflachen. Am deutlichsten zeigt sich die Zeit, also das "aus dem Kon-takt sein", durch Lange-weile. Sind wir im Kontakt, sind wir auch lebendig und schweifen nie ab.

Auf Gruppen bezogen

Eine Gruppe ist wie eine Symphonie; sie kann im Takt sein, aber auch aus dem Takt kommen.

Worauf legt der Therapeut sein Augenmerk?

„Im gemeinsamen Kon-takt sein“ kann auch Verdrängung implizieren. Das ist bei Gruppen sehr häufig. Der Einzelne unterwirft sich dann einem Gruppendruck. Das ist dann subjektiv ein wunderbarer Kontakt (wir lieben uns alle!), ist aber objektiv ein undefinierbarer Brei. Die Atmosphäre ist dann nicht dicht, sondern unangenehm. Durch „aus dem (Kon-)Takt sein“ kann sich Destruktivität multipliziert erzeugen.

Daher muss ständig abgewogen werden, besser gesagt, geschnuppert werden, was aus dem Erleben kommt oder was konstruiert wird.

2. Das Wort in seiner Bedeutung oder verschiedenen Deutungen

a) Der Gedanke als Wort

Jeder Gedanke wird gewöhnlich als Wort gebildet.

Jeder Gedanke erzeugt im feinstofflichen Körper = Leib seine eigene Schwingung. Da wir im Grunde der Leib sind, bilden wir uns stets mit unseren Gedanken neu.

So können wir buchstäblich sagen:

Auf einer tiefen Ebene sind wir, was wir denken – oder: was wir dort sind, bildet sich stets als Gedankenformation durch das Gehirn heraus.
Mit der Zeit bildet sich unser Gefühlsleben und später unser Körperausdruck nach der Qualität der Gedanken ab.

Da wir aber mehr sind als diese drei Ebenen, sind wir verantwortlich für unser Befinden. Das beinhaltet auch die ungeheure Möglichkeit, mich von den destruktiven Bereichen meiner Person zu befreien, indem ich sie immer wieder neu erkenne.

Erkennen wiederum ist wie eine Lampe: Je heller sie ist, desto stärker löst sich der Schatten auf. Nehme ich sie weg, ist der Schatten zwar wieder da, doch installiere ich sie fest, hat der Schatten kein Dasein mehr.

So hat auch mein körperlicher Zustand und mein Gefühlsspektrum seine Auswirkungen auf meine Gedanken als Wort.

Nur am Rande: Ein körperliches Gebrechen hat nicht zwangsläufig negative Folgen für meine Person in dieser Ebene. Der Leib kann noch total "sauber" sein (Phantomschmerz). Im Gegenteil, durch die Auseinandersetzung mit dem körperlichen Gebrechen können sich die anderen Ebenen klären. Hier setzt die Achtsamkeit über das Gebrechen ein.

Diese Arbeit am Mentalleib nennt Buddha: Achtsamkeit auf die Gedanken.

b) Das gesprochene Wort (siehe auch: "der ergebene Zuhörer“, Buber Dialog 229)

Ich kann das gesprochen Wort so aufnehmen, wie es nackt (als Buchstabenfolge) erscheint und mein nacktes Wort entgegensetzen. So entstehen die endlosen Diskussion. Keiner sagt wirklich, was er meint.
Ich kann aber auch das Echo des gesprochenen Wortes in mir abwarten und dieses Echo dem anderen als größere Möglichkeit anbieten. Das wäre echtes Hin- oder Zuhören.

Ich kann im Sinne Rogers auf die Nuancen im mitschwingenden Ton des gesprochenen Wortes achten, dies verbalisieren und so eine Stufe tiefer als der andere als unbewusstes Echo für den anderen sein. Ich kann das gesprochene Wort ebenfalls im Sinne Rogers vielfältig modulieren und so den schöpferischen, kreativen Teil des anderen "spielen". Hierbei ist es wichtig, nie recht haben zu wollen, denn de facto haben wir nie recht. Der Andere weiß besser als wir, was in sein Puzzlespiel im Augenblick hineinpasst.

c) Die gefühlsmäßige oder emotionale Schwingung des Wortes

Dass jedes gesprochene Wort nicht nur in der Kehle entsteht, sondern das Zwerchfell als Blasebalg und die Lungen als Blasebalgraum benötigt, ist bekannt. Es ist aber auch immer das eigentlich Menschliche beteiligt: das mystische Herz.

So kann der, der Ohren hat zu hören, im Mitschwingen des gesprochenen Wortes den augenblicklichen Zustand des Sprechenden erahnen, ja oft erfassen. Dies viel eingehender als der Sprechende selbst, da er in unserer Kultur im Kopf die Wörter zusammensucht und formt.

Diese Nuancen lassen sich in schriftlicher Form ebenso wenig fassen wie die nonverbalen Aussagen der Bewegungen des Körpers.

d) Die verschiedenen Ebenen der Wörter
In der Esoterik bzw. im Spirituellen gibt es mindestens 2 Ebenen der Wörter

I. Ebene: Um dem Erschaffenen das beängstigend Mythische zu nehmen und um gleichzeitig Macht darüber zu bekommen, belegten die Menschen alle greifbaren Erscheinungen mit Namen. Damit hoben sie die Umwelt in eine fassbare abstrakte Ebene. In Banngesprächen, alten Balladen und vielen Geschichten sowie Märchen scheint das noch durch. Daraus entwickelte sich, oft parallel, die immer abstrakter werdende Sprache bis hin zur Philosophie.

In dem oben Genannten kam es noch entscheidend auf das WIE an; WIE wurde das Gesagte gesprochen, erzählt, fabuliert. Dieses WIE war also entscheidend, erst in zweiter Linie kam das WAS. So waren z. B. die Pausen zwischen den Wörtern mitentscheidend.

Zu dieser Ebene gehören natürlich auch die Mantren.

Heute ist die Sprache zu einem billigen Kartoffelsalat verkommen, selbst das WAS spielt kaum noch eine Rolle, es geht nur noch um vergänglichen Informationsgehalt.

Wir dürfen uns nicht täuschen, wir gehören zum Heute dazu, sind geprägt und gebrauchen daher die Sprache ebenso wie Kartoffelsalat und entnehmen dem Salat des anderen nur die für uns vordergründige Information.

Beobachtet einmal miteinander Sprechende; kaum einer fragt nach, meistens wartet man gar nicht ab, dass der andere zu Ende redet und "fällt" ein. Die Gespräche sind zu Kleinkriegen entartet. Das Zu-hören im Sinne von Zuwendung ist vom Re-agieren abgelöst worden.

II. Ebene: In den alten Sprachen wie im Sanskrit, Hebräischen, aber auch im alten Germanischen war die Sprache noch heilig, da sie heilte, heil machte und erschuf. Ich nehme den berühmten Satz aus der Bibel "Im Anfang war das Wort" (nicht am Anfang – z. B.: Am Anfang der Nacht) wörtlich. In allen alten Sprachen gab es geheime Wörter, die diese Macht in sich trugen und tragen. Dieses „Im“ ist für mich eine Qualität.

Ein Beispiel: Das Om, Aum oder Amen. Heute steht das Aum in jedem spirituellen Buch, früher jedoch wurde es dem Schüler nach 15 - 20 Jahren Übung und Reinigung ins Ohr geflüstert, da in diesen Wörtern/Lauten eine enorme Qualität verborgen ist.

Ein anderes Beispiel: Unsere Vokale i, e, a, o, u und die Konsonanten h = Haupt/Häuptling (oben) und s = Schlange, Sexus (unten) ergeben Jehoshua, den hebräischen Namen für Jesus. Dieses Jehoshua ist Jesus. (Es ist nicht nur ein Wort.)

Vor noch nicht so langer Zeit, wurden die Namen der Väter dem Sohn gegeben, damit der Vater im Sohn weiterleben kann.

3. Bildhafte Sprache

Ein anderer Aspekt der Sprache liegt im bildhaften Erfassen der Situation und deren Beschreibung. Hier nähern wir uns mehr der Arbeit mit Kindern.
Kinder haben einen anderen Umgang mit Sprache. Sie denken noch nicht so abstrakt wie wir. So ist das eidetische Gedächtnis zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr meines Wissens am stärksten entwickelt. Daher müssten die Menschen, die mit Kindern umgehen, wieder in Bildern denken lernen. Alles Theoretisieren ist bei Kindern fehl am Platze und langweilt sie.

Hier meine Übungsvorschläge:

Und zum Schluss: Jede Theorie ist nur zum Anregen und Augen öffnen da - auch die eben aufgezeigte. Das erregende Interesse und die Augen zu öffnen, bleibt euch überlassen. Verrennt man sich in Theorien, schließen sich die inneren Augen wieder und die kreative Erregung = das Lebendigsein wird zum kümmerlichen Rinnsal.