(Text vom 20.02.2002)
In jeder Kultur, die das Geistige mit einbezieht, gibt es Mantren. Es muss
also etwas Entscheidendes in diesen Klängen liegen. Davon bin ich aus eigener
Erfahrung überzeugt.
Allerdings sollten wir mit dem Mantrasingen und -sprechen erst beginnen, wenn
wir in Kontakt mit unserer feinstofflichen Ebene sind. Sonst entführen
uns die Mantren in geistige Bereiche. Wir verlieren den Kontakt mit der Erde
und dem Alltag. Natürlich können wir auch vorher schon immer wieder
einmal die Mantren als Hilfe nutzen. Aber der entscheidende „Einsatz“
sollte erst später eintreten.
Wie sprechen wir ein Mantra?
Bei den Mantren geht es nicht um den Sinn der Wörter. Sie sind eigentlich
keine Wörter. Es sind Symbole und repräsentieren eine geistige Kraft.
Wir gehen nicht mit Wörtern um, sondern mit Lauten, mit Tönen, mit
Klängen, ja, mit Schwingungen. Das müssen wir uns immer wieder klar
machen.
Da die Tibeter die Einteilung in Körper, Psyche und Denken nicht kennen,
sondern die Einteilung in Körper, Sprache und Geist, hat
das Mantra für sie eine ungeheure Bedeutung. Wenn man die Entwicklung unserer
Kinder verfolgt, so sieht man, dass die Tibeter recht haben. Die Sprache ist
ein unglaublich wichtiger Bestandteil der menschlichen Entwicklung. Wir müssen
die Bedeutung des Sprechens, der Sprache, des Tons in der frühkindlichen,
also menschlichen Entwicklung, genau so wichtig nehmen wie das Essen, das Trinken,
die Bewegung oder den Körperkontakt. Auch Kinder spielen mit Wörtern.
Sie verballhornen bis in die Grundschulzeit hinein die Wörter. Schlimm
wäre es, wenn die Eltern dies unterbänden, denn wenn wir genauer hinhören,
spielen sie mit Klängen, Tönen und deren Schwingungen. Das tun sie
nur, wenn sie fröhlich sind und sie werden noch fröhlicher dadurch.
Wir kommen mit dem intensiven Mantrasingen in eine völlig neue Phase der Meditation. Genau so, wie wir gewöhnt sind, mit Hetty Draayers Imaginationsübungen als Bewusstseinswesen in Kontakt mit dem feinstofflichen Körper dem Empfindungsleib zu kommen, so hilft uns ein Mantra, uns auf die Ebene des Tons zu beziehen. So ist die Schwingung die Schwingung eines Mantra dieser Empfindungsleib = Ätherleib. Die Schwingung des Tons ist bezogen auf den Körper reine Yangkraft, also Klarheit. Es ist in uns die Verknüpfung mit den geistigen Ebenen.
Als Beispiel möchte ich das Guru-Mantra der Tibeter nehmen:
OM AH HUNG
BENSA GURU PEMA SIDDHI
HUNG
Dieses Gurumantra hat sieben Begriffe. Wichtig ist, dass die ersten drei von
den letzten vier völlig verschieden sind. Die ersten sind einsilbig, es
sind nur Töne, Klänge und keine Wörter. Die vier weiteren sind
Wörter und haben je zwei Silben. Das letzte, das Hung, ist nur der Abschluß
des Mantra, ein Ausdruck der Vollendung.
Die ersten drei Laute bedeuten die Trinität, wie wir sie auch im Christentum
kennen und symbolisieren außerdem die Einheit in der Trinität. Die
vier anderen stehen für das Irdische, die Kräfte, die Gestaltung und
haben die Dualität in sich: Gu-ru usw.
Wichtig ist, dass in dem Gurumantra alle Vokale enthalten sind. Es entspräche
dem christlichen Jehoshua:
Das J ist darin gleich dem i.
Wie verläuft der Prozess des normalen Sprechens?
Die Luft wird in der Kehle in Schwingung gebracht, moduliert und zum
Kommunikationspartner gesendet, damit er sie empfangen kann. Die Schwingung
des Mantra dagegen sollte im Leib, im Raum des Körpers, bleiben. Da dies
am Anfang sehr schwierig ist, sollte man darauf achtet, dass die Schwingung
des Mantra im Mundraum bleibt. Später beginnt man über die Visualisation
und Empfindung, die Schwingung der Kehle durch den Leib in die Erde hineinzusenden.
Mit den Kehllauten öffnet man die Kehle. Vielleicht hilft das Bild, dass
man die Kehle als Teich sieht, in den ein Stein geworfen wurde. Die eigentliche
Kehle (Kehlchakra) befindet sich im hinteren Drittel des Halses. Das aufrechte
Sitzen ist ungeheuer wichtig, erst dadurch wird die Schwingung des Mantra auf
die Säule in uns übertragen. Die Säule, als Zentrum unserer Kraft,
verstärkt sich.
Erst wenn die Stabilität im Becken durch das Mantra erreicht ist, kann
man vorsichtig den Kopf und den Bereich über dem Kopf mit einbeziehen.
Selbst dann ist es noch sehr wichtig, dass die Verbindung zum Becken erhalten
bleibt, wir also in die Säule kommen. Mein Ziel ist es, das Mantra also
in der Säule und als Säule zu sprechen. Beim Mantrasingen ist das
Herz beteiligt. Dazu wäre es gut, wenn man sich eine Geistgestalt im Herzen
vorstellt, der man Verehrung darbringt.
Damit sämtliche Muskeln des Mundes beteiligt sind, aber auch entlastet werden, wird der Mund zu einem Kussmund geformt, das O wirklich als O, das A und U auch als solches sprechen. Diese Formung des Mundes hat eine direkte Wirkung auf den ganzen Körper bis hin zum Steißbein. Die gilt für die drei dunklen Vokale. Das E wird etwas übertrieben breit mit den Lippen gebildet und das I ragt nach langem Üben vom Beckenboden bis weit über den Kopf hinaus.
Die Zunge bewegt sich beim schnellen Sprechen kreisend im Mundraum und massiert ihn ganz fein. Beim Mantrasprechen geht es auch darum, den ganzen Körper zu beachten und immer wieder in den Schultern nachzugeben. Dabei hilft uns natürlich, dass wir uns bewusst zur Erde hinunterlassen, der Erdanziehungskraft hingeben und uns mit dem Erdmagnetfeld verbinden. Dazu kommt noch, dass ihr euch in den Raum um euch herum ausweitet, denn wie oben schon angedeutet, ist die Sprache der Raum (als Äther). Wir können auch manchmal zusätzlich während des Mantrasprechens das Himmelblau visualisieren. Diese Farbe verstärkt die Heilkraft auf allen Ebenen.
Damit ihr nicht irritiert seid, die Anleitung der Tibeter zum Om Ah
Hung ist anders als meine. Bei ihnen steht das Om
für den Kopf, das Ah für den Hals und das Hung
für die Brust. Der Bereich unter dem Zwerchfell ist die Hölle. Da
wir in einer anderen Kultur aufgewachsen sind und geschult im analytischen Denken,
dürfen wir auch in die Hölle hinabsteigen, so dass die Dreiteilung
Kopf, Brust und Bauch berechtigt ist.
Wenn ihr genau darauf achtet, merkt Ihr, dass während des Mantrasprechens
ein Ton im Hintergrund gleichbleibend schwingt. Diesen Ton gilt es als Geschenk
in uns hineinzulassen. Leitet ihn auch zu den Stellen in euch, die unbekannt
oder krank sind. Nach einer längeren Phase des Mantrasprechens, sollten
wir uns der Schwingung, die sich im Körper ausbreiten will, hingeben und
ihr nachspüren.
Hinzu kommt die Visualisation:
Bei dem langsameren Sprechen geht es darum, das Mantra zu visualisieren.
Am Anfang empfehle ich, das Mantra im Bauch zu visualisieren. Dadurch wird der
unabdingbare Erdkontakt verstärkt. Später kann man im 45 Grad-Winkel,
von der Stirn aus gesehen, in weiter Entfernung das Mantra visualisieren. Für
die Tibeter erscheint dort Padmasambava, dessen Inkarnation dieses Mantra ist.
Von Padmasambava gehen Strahlen aus, die uns in Kopf, Hals und Brust treffen.
Das ist uns jedoch zu fremd.
Geht man mit Hilfe des Mantra in geistige Bereiche, wird es über dem Kopf
visualisiert.
Das Gurumantra öffnet uns der Yangkraft. Wir sollten bei der Anzahl der
gesprochenen Mantren immer wieder unsere Grenze gehen. Um uns an die erhöhte
Schwingung zu gewöhnen, sollten wir allerdings behutsam mit uns umgehen,
aber nicht überängstlich sein.