(Text vom 22.02.2003)
Der Begriff "Erden" lässt sich nur verstehen, wenn man bereit ist, mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Aber was heißt für mich "in Kontakt" sein?
Um dies zu verstehen, muss ich noch einmal kurz auf das Wort Bewusstsein eingehen.
Wir Menschen des Westens benutzen es fast ausschließlich für das
mentale Erkennen. "Es ist mir bewusst." heißt für uns:
"Ich habe dies oder das vom Denken her verstanden." Dabei muss man
wissen, dass die Tibeter für Bewusstsein mehr als zwanzig Wörter benutzen.
Gerade diesen entscheidenden Bereich können wir also mit unserem einen
Wort nicht differenziert fassen. Da wir darüber hinaus noch so völlig
auf das Mentale fixiert sind, entsteht für uns durch die Meditation ein
fasst unlösbares Problem. Da hilft es auch nicht, wenn wir die Weltanschauung
der jeweiligen Meister übernehmen. Da diese aus anderen Kulturkreisen kommen,
entsteht ein zusätzliche Schwierigkeit.
Selbst, wenn wir uns auch innerlich vom Christentum gelöst haben, sind
wir in der Tiefe christlich geprägt. Daran können wir auf keinen Fall
etwas ändern. Nehmen wir das Weltbild des jeweiligen Meisters an, entsteht
in unserer Tiefe eine Verwirrung. Darauf weist der Dalai Lama öfters hin,
wenn er uns ermahnt, keine "Buddhisten zu werden". Wir können
aber ohne weiteres den Weg des Buddha gehen.
Ich habe auf meiner Suche mehrere Meister aus verschiedenen Kulturen kennen
gelernt, konnte aber mit dem jeweiligen "Überbau" nicht viel
anfangen. Diese religiösen Erklärungen blieben mir fremd. Da mich
sehr vieles an der christlichen Kirche stört, blieb mir auch ihr Überbau
nicht.
Schließlich kam ich für mich zu der Erkenntnis, wenn die Hochkulturen
recht haben - und davon gehe ich aus - dann bedeutet das, Gott, Allah, Buddha
oder das Tao sind das gleiche. Es sind Synonyme für die Absolutheit. Also
brauche ich "Es" nicht zu suchen. Das Einzige, was mir übrig
bleibt, ist, mich zu erforschen.
Als Überbau blieb diese Nüchternheit übrig. Völlig nüchtern
das anzugehen, was hier und jetzt ansteht. Ich musste allerdings davon ausgehen,
dass ich ver-bildet war, und in meinen Phasen als Klient entdeckte ich davon
einiges.
Ich merkte allerdings auch, dass ich mehr war als das Denken, dass es Bereiche
in mir gab, die mir fremd waren. Da bot mir Hetty Draayer ihre Begleitung an,
die ich 13 Jahre lang in Anspruch nahm. In dieser Zeit lernte ich, drei Möglichkeiten
zu sehen, mit mir in Kontakt zu kommen:
1. Auf der einen Seite gab es den Weg der Therapie, mit deren Hilfe wir Schritt für Schritt die inneren Verkrustungen lösen können.
2. Auf der anderen Seite die Meditationsformen, die sich ganz bewusst
und gezielt den Körper als Ausgangspunkt nehmen.
Beide gipfeln letztendlich im Dritten,
3. Dem Gewahrsein dessen, was hier und jetzt ist.
Somit ergänzen sich diese drei ideal.
So öffnen sich mit den auf den Körper bezogenen Imaginationsübungen
Hetty Draayers die verdrängten Bereiche, und mit Hilfe der humanistischen
Therapien (wie Gestalt-, Gesprächs-, oder Körpertherapie) lassen sich
diese Bereiche organisch erlösen. Mit der Wahrnehmung wächst man in
eine neue Bewusstseinsebene hinein.
Dieser Prozess wird durch das Erden enorm beschleunigt und vor allem gefestigt
und stabilisiert. Das Erden ermöglicht es uns, aus dem Gefängnis der
Vorstellungswelt auszubrechen und uns als Wesen in der Persönlichkeitsebene,
aber auch in den transpersonalen Bereichen, ernster zu nehmen und zu würdigen.
Wir brauchen nicht mehr hinter den vor-gestellten Idealen der Hochkulturen herzulaufen
oder uns gar an ihnen zu messen. Wir erkennen, dass wir unseren Wert allein
aus und in unserem Dasein haben. Wer etwas anderes sucht, läuft in die
Irre.
Über das Geerdet-Sein und die nachfolgenden Stufen entdeckt man schließlich
das eigene "König-Sein". Man wird sein eigener bester Freund
und befreit sich in die Toleranz gegenüber allem und den anderen. Dies
geschieht einfach. Man braucht sich nicht dazu zu zwingen oder mentale Kapriolen
zu schlagen.
Noch einmal:
Bei diesem nüchternen Weg spielt es keine Rolle, ob man einem der oben
erwähnten Überbauten folgt oder ohne Glauben lebt. Das Ergebnis ist
das Selbe. Ich habe allerdings noch nicht erlebt, dass Menschen auf diesem Weg
unreligiös blieben. In allen keimte die Ahnung auf, dass da noch etwas
sein muss, das größer und umfassender ist, als sich irgend jemand
vorstellen kann.