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Spiritualität und Religion

Eigentlich sollten diese beiden Begriffe nicht trennbar sein.

Doch leider zeigt die "Handhabung" der Religionen "zum Leidwesen vieler heranwachsender Kinder" meistens eigenartige Züge.
Der wichtigste Zug ist die intellektuell Festlegung von Normen, Gesetzen und Dogmen, die den einzelnen Menschen in ein Korsett zwängen und ihm keine Möglichkeit der Selbsterfahrung und Selbstentfaltung ermöglichen.

Im Grunde zielen diese Eingrenzungen auf das Ego. Sie versuchen das Ego zu bändigen und in einer festen Form zu halten. Gehe ich davon aus, dass wir kosmische Wesen sind, muss ich diese Eingrenzungen und jede Art von Eingrenzung hinterfragen. Bin ich ein kosmisches Wesen, dann liegen die Gesetze in mir. Sie müssen die Möglichkeit erhalten, von mir Besitz zu ergreifen. Haben sie von mir Besitz ergriffen, dann sind sie keine Begrenzungen mehr, sondern werden als Befreiung und freudvolle Erkenntnis erlebt.

Die christlichen Mystiker haben genug darüber geschrieben.
Interessant ist, dass es nicht nur in allen Religionen Gesetze gibt, sondern auch in der Spiritualität oder Esoterik. Sehen wir diese Gesetze als Richtschnur an und nicht als Dogma, sind sie nicht mehr einengend, sondern bieten einen Halt und geben die Richtung an.

Dann darf ich sie aber nicht anderen aufdrängen wollen, sondern muss jedem die Möglichkeit geben, über meditative Methoden ihre Gültigkeit Schritt für Schritt zu überprüfen. Ich kann sie also als Meditationsobjekt nutzen. Das ist für mich die eigentliche Religiosität, die man mit der Spiritualität und Esoterik gleichsetzen kann.

Sehr misstrauisch bin ich auch den Esoterikern gegenüber, die ihre ursprüngliche Religion ablehnen und ähnliche oder andere Normen, z. B. "Ich muss loslassen", einführen.
Hier sollte auf das "Ich muss" oder "Du sollst" geachtet werden.
Statt dessen:
Jeder hat die Möglichkeit loszulassen und wenn dies nicht gelingt, betrachte ich das Nichtgelingen! Gehe ich nicht so vor, so bleibt dem Esoteriker wie auch dem religiösen Menschen nur die Verdrängung mit allen ihren negativen Folgen.

Eingeengte Religiosität macht uns zu unmündigen Kindern und verhindert ein persönliches Wachstum.

Die Erfahrung, nicht der Inhalt der Erfahrung, in der Meditation ist die eigentliche Religiosität. Sie passt oft nicht in diese festgelegten Normen, die eine Religion im Laufe der Zeit entwickelt hat. Es gibt Grundzüge des Übens und der Erkenntnis, die allen Religionen und Wegen gemeinsam sind. Diese Grundzüge konfessionsfrei zu ermöglichen und zu erforschen, sollte unser großes Anliegen sein.
Seit der Mensch denken kann, ringt er um die Verankerung seiner Existenz in der Transzendenz. Es gab immer den Versuch, die Transzendenz rational zu begreifen und zu greifen. Dies führte immer zu den einengenden Dogmen und in Folge davon zu Macht und Kriegen.
Die Mystiker aller Religionen versuchten dieser Gefahr auszuweichen, doch sie konnten sich meistens nicht durchsetzen, sie blieben Randfiguren, Exoten der rationalisierten Religionen. Die Machtmenschen setzten sich überwiegend an die Spitze der Religionen und bestimmten den "Weg". Sie fühlten sich von denen, die den inneren Weg gingen, bedroht. Denn diese waren frei und konnten nicht beherrscht werden, also verfolgte man sie sehr oft.

Ironischerweise sind es heute die Naturwissenschaften, die an die Pforte dieser unbegreiflichen Transzendenz klopfen. Aber auch die existentiellen und transpersonalen Therapien stoßen in diesen Bereich vor und ermöglichen den Menschen, die sich von den dogmatischen Religionen enttäuscht abgewendet haben, einen neuen Zugang.

Was wir Abendländer seit einigen Jahrtausenden Gott nennen, lässt sich nicht in festgelegte Glaubenssätze eingrenzen oder begrenzen. Die Offenbarung der eigentlichen Wirklichkeit geht mit der Ent-faltung des menschlichen Bewusstseins einher.

Achtet also bitte darauf, dass ihr euch bei irritierenden, tiefgreifenden Erlebnissen und Erfahrungen, aus einer diffusen Angst heraus, nicht an oft willkürliche äußere Normen verliert oder gar bindet.

Jegliche Bindungen, ob an äußere Normen oder innere Bilder, dienen nur als Befriedigung des Egos.

Der spirituellen Weg bedeutet in der Wandlung der Sicht auf das Innere und Äußere, das Ziel zu sehen. Das ist einfach, nüchtern und doch tief religiös. Nur anders als man es sich vorstellt. Zu dieser Religiosität gehört leider der Zweifel aber auch die Verzweiflung dazu. Doch gerade darin liegt die Bewegtheit des Seins.