Siehe auch „Übung zur Sammlung“
(Text vom 15.09.2001)
Im Laufe der Meditationsarbeit beginnen wir immer mehr zu entdecken, dass es
einen Bereich hinter den Instrumenten Denken, Emotion und grobstofflichem Körper
gibt. Es ist der feinstoffliche Körper oder Empfindungskörper, wie
ich ihn nennen möchte.
Der Centaur (Lit. Ken Wilber: "Wege zum Selbst") ist erreicht worden.
Das Denken, die Emotion und der Empfindungskörper sind eine Einheit geworden.
Auch wenn wir immer wieder in die gröberen Ebenen zurückfallen, kennen
wir nun den Weg zum Empfindungskörper und können uns immer schneller
und häufiger dahin zurückziehen und somit regenerieren. Dazu ein Wort
von Suzuki Roshi: "Gebt der Kuh (den Emotionen, den Gedanken und dem Bewegungsdrang
des grobstofflichen Körpers) eine riesige Weide (den nötigen Raum)
und Ihr braucht nicht mehr auf sie aufzupassen."
Haben wir den feinstofflichen Raum erobert, uns aus dem physischen in den feinstofflichen
Körper hinein entwickelt, so müssen wir darauf achten, mit gezielten
Übungen, diesen durch unser Alltagsleben ständig gestörten Energieraum
auszugleichen. Wir werden dadurch ausgeglichener und wirken auf andere ausgeglichener.
Nun können wir im Umgang mit uns und anderen feiner und feiner werden.
Was dazu noch fehlt ist die Sammlung. Bevor der feinstoffliche Raum erreicht
ist, sollten wir mit der Sammlungsübung nicht beginnen.
Was heißt in diesem Zusammenhang Sammlung?
Das ist, grob gesagt, das Verweilen an einem Punkt. Nach Heckler: das Zentrieren. Das ist sehr schwierig, weil viele darunter noch die übliche Konzentration verstehen. Das aber ist es nicht!!!! Konzentrieren wir uns zu stark, dann verkrampfen wir und werden eng. Die feinstofflichen Bewusstseinsebenen sind dann für uns als Bewusstsein nicht mehr erreichbar.
Die Lösung liegt im Verweilen.
Als Merkmal dafür gilt: Wenn Ihr Euch eine halbe Stunde oder länger
im Verweilen (Sammlung) geübt habt und es Euch schlechter geht oder Ihr
sogar Kopfschmerzen bekommen habt, seid ihr falsch vorgegangen. Ihr habt Euch
zu sehr konzentriert. Dann müsst Ihr nachschauen, welche Störung aufgetreten
ist, wo Ihr festsitzt, wo die Energiesäule, die sich bilden will, gestört
wird und Euch signalisiert: Es stimmt noch etwas nicht. Nun gilt es, sich darauf
einzulassen.
Dies kann ein körperlicher Schmerz sein, eine aufgeflammte Vorstellung,
eine emotionale Fixierung usw.
Im Raum des Körpers gibt es viele Punkte, bei denen wir das Verweilen üben können. Nehmen wir doch den Dantiempunkt im Becken, zwei Fingerbreit über dem Schambein: Er gleicht die Energien von innen und außen, oben und unten, hinten und vorne, rechts und links aus. Darüber hinaus sammelt er die überschüssigen Energien und kann nicht überladen werden, wie z.B. der Punkt zwischen den Augenbrauen. Zusätzlich kommen wir über ihn in die Ebene der Kraft und der Klarheit, wenn wir gleichzeitig in den Wurzeln bleiben.
Haben wir uns über Monate in dieser Sammlung geübt, gehen wir einen
Schritt weiter und versuchen, das Herz zu öffnen, indem wir uns eine Seerosenknospe
im Raum der Brust vorstellen. Diese Seerose ist im Bereich des Dantiempunkt
und im 9ten Chakra, jenseits des Beckens beim Sitzen oder den Füssen beim
Stehen, verwurzelt.
Ihr könnt diese Übung unterstützen, indem Ihr alles, was Euch
wertvoll ist, zu Hilfe nehmt und in die Knospe, die innen goldgelb ist, einfließen
lasst. Aber besonders geistige Güter: Freundschaften, Ideale, Gebete, Gedichte
und andere kostbare Wertvorstellungen.
Wenn sich irgendwann der ganze Raum mit dem Körper als Mittelpunkt öffnet,
versucht in noch feinere Räume vorzudringen. Dabei müsst Ihr Euch
vor äußeren Störungen auf jeden Fall schützen:
Telefon abstellen, Türen schließen usw.
Unterstützt wird diese Form der Meditation durch Rituale und Zeremonien:
Sich immer in einer bestimmten Form auf das Kissen setzen, Kerze anzünden,
ein schönes Bild nehmen oder eine schöne Figur, keine Musik bitte.
Die eigentliche Musik ist in uns. Wir suchen unseren individuellen Ton, aus
dem unsere persönliche Musik entsteht.
Lasst Euch nach jeder Meditationsphase ein Gedicht als Abschluss einfallen,
das ihr aber niemandem zeigt!!
Vermeidet mehr und mehr das Nörgeln. Das äußere Leben ist wie
es ist; es hat seine festen Gesetzmäßigkeiten und bietet weniger
Freiheit als wir glauben. Der eigentliche Schatz des Lebens, der Reichtum vielfältigster
Art, ist wirklich nur im Innern. Von hier aus können wir die Freiheit auch
nach außen tragen. Jetzt beginnt das Bibelwort Wirklichkeit zu werden:
"Wer die ganze Welt gewänne und an seiner Seele schaden nähme...!"
Um dem Reichtum unseres des Inneren noch näher zu kommen, machen wir diese
Bildmeditation mit der Seerose im Herzraum und den Wurzeln in der Erde unter
uns.
Hier geht es aber weniger um die Form des Bildes, als vielmehr um die innere
Schau (verweilende Sammlung). Diese Schau ist ein spezieller Zustand. In ihr
fühlen wir uns ganz, heil und stark. Die Tibeter nennen diesen Zustand
den Vajrakörper. Sind wir mit ihm identifiziert, wissen wir, dass uns nichts
zerstören kann. Selbst wenn wir alles verlieren würden, blieben wir
in der Geborgenheit heil. Die Unabhängigkeit von äußeren Situationen
ist dann total, ohne dass wir aus dem Du fallen. Das Du heißt bei den
Tibetern Boddhicitta.
Ohne dieses Du wäre es kein Vajrakörper. Es wäre Sturheit, Verbissenheit
usw.
Wir sind bisher geübt im Umgang mit Energien, wir können sie harmonisieren,
ausgleichen und stärken. Im Zustand des Vajrakörpers sind wir Harmonie,
Ausgeglichenheit, Stärke, Kraft.
Dafür lohnt es sich schon, einige alte Unannehmlichkeiten aufsteigen zu
lassen, anzuschauen, wieder freizugeben und zu lernen, zu unserer Mitte zurückzukommen.
Im Zentrum unserer Mitte wartet unser Vajrakörper. Es ist die Verbindung
zwischen dem 8ten und 9ten Chakra. Dann sind wir nicht mehr ein normaler Mensch,
der von seinen Vorstellungen und Emotionen gebeutelt wird, sondern kosmisches
Wesen. "Wie wir gemeint sind.", sagte meine Meditationslehrerin Hetty
Draayer.
Nun ein Zitat aus "Reise in den inneren Raum" von
Chökcham Trungpa:
"Wenn wir die Verbindung zum ozeanischen Erleben verlieren, entwickeln
wir Phantasiebeziehungen zu Phänomenen. Sobald wir uns mit Phantasiebeziehungen
zu Phänomenen abgeben, befinden wir uns aufgrund des Wunsches, unser Gefühl
der Individualität zu erhärten, im Bereich des Urteilens und der Manipulation.
Wir fürchten dann das ozeanische Erleben als Negation der Individualität.
Doch wenn wir nicht Augenblick für Augenblick erleben, dass Individualität
aus ozeanischem Erleben entspringt, wird erstere von Einbildungen überschwemmt,
die absurd, überhitzt oder sinnlos sind.
Die abgetrennte Individualität schafft die instabile Illusion, dass wir
über feste Definitionen verfügen.
Wir müssen nur deshalb kämpfen, um diese Illusion aufrechtzuerhalten,
weil unsere anfanglose Erleuchtung unsere manischen Spiele unterminiert. Wir
schweben ständig am Rande müheloser Aufmerksamkeit, lenken uns jedoch
gleichzeitig ständig ab, um unsere abgetrennte Individualität aufrechtzuerhalten."
Das Leben ist in erster Linie Bewegung, nicht Beharrung. Erinnerungen und Wünsche
sind Beharrung.
Überlassen wir uns der Bewegung, gleich Veränderung, befinden wir
uns mitten im Leben. Wir suchen jetzt den stillen Mittelpunkt, von dem aus wir
die innere und äußere Bewegung, gleich Veränderung, gleich Leben,
genießen. So können wir in Zukunft in jedem Augenblick sterben und
als neues Wesen wiedergeborene werden, denn wir sind wirklich frei von Formen.
Durch Sammlung entwickelt sich in uns der Beobachter aus der Stille heraus.
Als Beobachter nehmen wir dann teil am bewegten Leben.
Ein Paradox ist entstanden: Wir sind Stille und bewegtes Leben.
Übt und lasst Euch darauf ein!
Dies war nur ein Beispiel für die Sammlung. Entscheidend ist, dass wir immer im Becken beginnen.