Wie Oben So Unten

Meditation und Alltag

Ich habe die Webseite "wie oben so unten" genannt, da je nach Blickwinkel oder Sicht in diesem Uralten Gesetz die absolute Einheit oder reine Dualität zu erkennen ist.

Es gibt im Westen viele Vorstellungen und Definitionen darüber, was unter Meditation zu verstehen ist. Die weitverbreitetste ist vielleicht, dass Meditation Ruhe verschafft. Was Ruhe ist, erkennt man jedoch erst nach jahrelanger intensiver und harter Meditationsarbeit.

Meine Sicht lautet:
Meditation ist eine großartige Möglichkeit, über den augenblicklichen Stand der Evolution freiwillig und bereitwillig hinauszuwachsen.
Meditation ist "Schwerstarbeit" und fordert den Einsatz des ganzen Menschen. Meditation ermöglicht es, uns aus den tausendfältigen Fallen und Verstrickungen unserer Persönlichkeit zu lösen.
Sobald uns dies auch nur im Ansatz gelingt, tritt Ruhe ein. Ruhe ist die Basis unseres Seins. Sie ist die Stille auf dem Grund eines unendlich tiefen Sees. Erst ober- bzw. außerhalb dieses Seegrundes findet die Bewegung des Lebens statt. Das bewegte Leben drückt sich in Strukturen und Formen aus. Verstricken wir uns in den Formen und Strukturen, erkennen wir nicht mehr die Basis des Sees und sind Ewigkeiten von dieser Ruhe entfernt.
Diese Ruhe zu finden, gelingt nur, wenn wir bereit sind, unsere Identifizierungen in der Ebene der Formen aufzugeben. Dies ist jeweils wie ein Sterbevorgang, was natürlich große Ängste hervorruft. Wird das freiwillige Aufgeben von Formen zur Gewohnheit, erkennen wir: Es gibt kein Sterben, es gibt nur eine Veränderung der Identifikation.
Unsere alltäglichen Lebensumstände, unser subjektives Erleben und unsere Einstellung zu unserem Erleben sind nur eine Frage der Identifikation und des Bewusstseins.

Identifikation könnte man beschreiben:
als Festhalten an der "einmaligen" Form,
als Festhalten an Bekanntem oder
als Angst, oft auch Panik davor, dass bekannte Formen sich immer wandeln.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie sich zum Angenehmen oder Unangenehmen für uns verändern. Das Leben der Natur ist ständige Bewegung, also Veränderung oder gar Beendigung der Formen. So widerspricht unsere Sucht, an allem festzuhalten, alles fest zu halten, dem Leben-an-sich. Hier begegnen wir wieder einem Paradoxon: Das LEBEN drückt sich in Formen aus, Formen sind Bestandteil des LEBENS. Aber Formen sind nicht das LEBEN. Loslassen heißt demnach nicht, nach etwas anderem zu greifen, sondern sich der Bewegung und Veränderlichkeit des LEBENS hinzugeben. Das bedeutet aber nicht, sich in der Formlosigkeit zu verlieren. Wenn man loslassen kann, so muss etwas existieren was loslässt. Dies ist das Bewusstsein, wobei in unserer Gesellschaft in der Regel ein völlig falscher Begriff von Bewusstsein existiert:

Wenn jemand sagt: "Mir - ist - bewusst", so ist da ein Ich und ein Bewusstsein. Damit ist die Teilung oder ein Getrenntsein (Dualität) fixiert, und ein Sterbevorgang ist unausweichlich. Sind Ich und Bewusstsein identisch, gibt es kein Sterben mehr. Wir befinden uns dann geborgen im Wissen.

Kaum jemand fragt sich, was mit Ich gemeint ist. Jeder Mensch handelt, als wäre er ein fest definiertes Ich. Kaum einer untersucht die Handlungsweisen, Reaktionsmuster und Mechanismen, nach denen er als Ich handelt und in denen er ist. Unreflektiert definiert man sich mit seinen Handlungsweisen und Zuständen, verteidigt sie und somit sein Bild von sich. Man erwartet von seiner Umgebung, dass sie etwas akzeptiert, was man selbst nicht wirklich ist.
Der Boden, aus dem diese Äußerlichkeit erwächst, wird oft panisch versteckt und geschützt. Aber gerade dieser Boden sind wir als Bewusstsein. Durch Missverständnisse und automatische Übernahme der Aussagen der Erziehungspersonen unserer Kindheit haben wir eine ungeheure Angst, uns diesen Boden anzuschauen. Wir verhindern vehement, uns auf diese Ebene in uns wieder einzulassen.
Das ist letztendlich ein reines Missverständnis. In Therapien gelingt es oft, dieses Missverständnis (falsches Verstehen) zu erkennen und eine neue Einstellung zu gewinnen. Diese neue Einstellung, oder Änderung der Sicht, ist unabdingbare Voraussetzung jeglicher echten Meditation.
Wir müssen den Schein dieser Identifikationen erkennen, aufgeben, uns fallen lassen und uns einer neuen Identifikation hingeben.
Das Bewusstwerden ist stets an Identifikationen gebunden, das heißt, um mir meines Ichzustandes bewusst zu werden, brauche ich eine Identifikation. Während des Wachstumsprozesses müssen wir demnach immer wieder eine neue Identifikation suchen und finden. Wir müssen uns aber davor hüten, das Neue als endgültig zu betrachten.

Der Beginn der Meditationsarbeit ist für mich eine nüchterne, völlig einfache Handlung des Bewusstseins. So wie ich bei einem Spaziergang hierhin und dahin schaue, Ereignisse interessiert beobachte und dann weitergehe, ohne den Anspruch zu haben, alles in mich aufzunehmen, so betrachte ich möglichst unvoreingenommen
1. die Reaktionen in meinem Innern: Zuckungen des Körpers, Schmerzen, die Bewegung der Gefühle, der Emotionen; das Kommen und Gehen der Gedanken, auch Gedanken über Reaktionen. Bin ich dann etwas geschult, kann ich mir spezielle Aufgaben vornehmen. Beispiel: Ich untersuche meine Mentalebene nach Gedankenmustern, die sich endlos wiederholen.
2. ich beobachte meine inneren Reaktionen in Situationen, die von außen auf mich zu kommen. Dies in angenehmen und unangenehmen Situationen.

Doch gehen wir zunächst zu grundsätzlichen Aussagen zurück. Seit Jahrtausenden bildeten sich zwei Entwicklungswege:
Der erste Weg besagt: Ich helfe dir bei der Entwicklung der Stufen der Bewusstwerdung. Der Sucher schließt sich einem Meister oder erfahrenen Meditationslehrer an und folgt seiner Tradition, seiner Erfahrung und seinen Anweisungen. Ständig müssen durch den meister Korrekturen an den Übungsanweisungen vorgenommen werden, und vieles ist für den Suchenden nicht verständlich. Es darf gar nicht verständlich sein, denn die Übungen sind nicht das Ziel.

Der zweite Weg besagt: Mach es dir einfacher. Identifiziere dich mit der Bewusstwerdung, dann erkennst du, dass alles nur ein Spiel ist.

Gerade die Einfachheit des zweiten Weges fällt uns enorm schwer. Er ist durch unsere Form des Alltagslebens eine nicht zu bewältigende Methode.

Ein Beispiel:
Im Neuen Testament steht: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, dann werdet ihr das Himmelreich nicht erlangen." (Matthäus 18,3)
Auch darin liegt ein Paradoxon. Die Einfachheit eines Kindes kann nicht definiert werden. Man kann es nur werden, es leben und sein. Versuche ich als Erwachsener ein Kind zu imitieren, werde ich regressiv und bin damit für beide Wege verloren, denn Kindsein hat mit Regression nichts zu tun. Gesundes Kindsein heißt, in der Fülle des Lebens zu stehen.

Nun könnte man fragen: "Warum wird das Kind erst erwachsen?" Das Kind ist sich seiner Fülle nicht bewusst, es lebt sie. Der Erwachsene kann und muss sich seiner Fülle bewusst werden. Erst dann ist er ein reifer Erwachsener. Erst dann darf er sich Erwachsener oder eben Erwachter nennen. Darin sehe ich den Sinn des menschlichen Daseins.
Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Zuerst müssen wir von unserem Alltags-ich (Ego) zum -Ich bin Ich- unsere Persönlichkeit entwickeln, um dann den Sprung zum Ich bin zu wagen.
Auf diesem langen Weg der Integration zählt als einziges Ziel: der Weg.