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Parcival

Die Legende um Parcival hat mich immer fasziniert. In ihr wird in genialer Form, wenn man sich von Details nicht irritieren lässt, der vom Kosmischen vorgegebene Weg dargestellt. In dieser Legende liegen natürlich noch viele esoterische Geheimnisse verborgen. Ich möchte hier nur zur Anregung einen Weg beschreiben:

Am Anfang steht der naive Mensch (gleichgültig ob Mädchen oder Junge) und der noch in der Geborgenheit der Familie lebende Jugendliche. Er wird durch das ihm nahe Umfeld beschützt und behütet und macht sich von diesem Hintergrund her ein Bild von der Welt. Er hat noch die Zeit und innere Freiheit seine Phantasie und Begeisterungsfähigkeit zu leben. Er ist sich seines mystischen Königseins zwar noch nicht bewusst, aber er lebt noch daraus. Da er in der Auseinandersetzung mit der Außenwelt noch nicht geformt worden ist, macht er Fehler. Doch diese Fehler zerstören ihn nicht und verstellen ihm auch nicht endgültig den langen Lebensweg, sondern ermöglichen es ihm eine starke Persönlichkeit (mein Ich bin Ich) zu werden.

Seine Begeisterungsfähigkeit führt ihn in seine eigene Tiefe, und legt den Zugang zu der mystischen Seele frei. Viele Leser werden sich erinnern, dass sie in dieser Zeit (Pubertät), sehr große kreative Schübe hatten. Ob Musik (welcher Form auch immer), Literatur, andere Künste oder Sport, spielt keine Rolle. Die Begeisterungsfähigkeit war oft überwältigend. Der Mensch begegnet in dieser Zeit dem Transzendenten oder anders ausgedrückt: Das Transzendente schimmert durch die menschliche Persönlichkeit hindurch, und sie macht ihn, da sie von den Emotionen ergriffen wird, begeisterungsfähig.

Dann beginnt seine zweite Phase. Es ist die Auseinandersetzung mit der Außenwelt. Die Menschen verlieren in der ernüchternden und frustrierenden Auseinandersetzung mit der Außenwelt weitgehend den Kontakt mit der Innenwelt. Doch dadurch wird die Persönlichkeit gestärkt, geformt und gestaltet. Die Persönlichkeit wird zum würdigen Gefäß für das Transpersonale gebildet. Der Mensch übernimmt die Normen der Gesellschaft und gestaltet sie mit. Dadurch reift in ihm die Fähigkeit, später die Gesetze des Kosmischen zu erkennen und einzuhalten. Das ist Parcivals Ritterzeit.

In der dritten Phase seines Lebens (ab dem 40ten Lebensjahr) ist der Mensch (Parcival) schließlich so weit, sich wieder nach innen zu wenden. Er begegnet wieder, wie in der ersten Pubertät, dem Transpersonalen und hat die Chance sein eigentliches Menschsein (mystisches Königsein = das Transpersonale) in sich bewusst ent-wickeln zu lassen und sich schließlich mit ihm zu identifizieren. Dann hat er seine königliche Würde gefunden. Er verliert sich nicht mehr in die Außenwelt, lebt aber weiterhin in Verbindung mit ihr. Er hat seine eigentliche Bestimmung, sein Königsein, entdeckt.
Gerade hier verfehlt der moderne westliche Mensch seine Bestimmung.

In vielen Mythen aller Kulturen wird dieser dritte Schritt ähnlich dargestellt wie bei Parcival.

Leider ist in der heutigen Zeit die Bestimmung dieses Lebensweges in Vergessenheit geraten. Dadurch bestimmen die Normen der zweiten Phase unser Leben bis ins hohe Alter. Nur deshalb leben so viel alte Menschen diesseits ihrer Würde, mit den bekannten negativen Folgen.

Wer sich für diese Thematik interessiert, sollte auch die Definition der Herkules-Sage von Alice A. Bailey durcharbeiten und Parallelen zu seinem Leben suchen.